In einer fremden Welt
3. Februar 1979
Werner Zurfluh
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3. Februar 1979
Vor dem Einschlafen nehme ich mir vor, bewußt in den hypnagogischen Zustand (Anm.1) hineinzugleiten und diese Übergangsphase mit einer "schwebenden Aufmerksamkeit" zu beobachten - und eine KA (Körperablösung) durchzuführen. Sollte es dabei trotz allen Bemühungen zu einem Verlust des Bewußtseins kommen bzw. zu einem "abaissement du niveau mental" (Anm.2), will ich wenigstens im Verlaufe eines traumartigen Geschehens wieder bewußtseinskontinuierlich werden und damit die Luzidität erreichen.

... Mein Bewußtsein verschwindet in der hypnagogischen Phase nicht vollständig, sondern verbleibt in einem schwankenden Dämmerzustand. Es kommt zu keinem "black-out", aber es ist auch keine Bewußtseinskontinuität vorhanden. Vielmehr ist es ein Zustand, bei dem etwas erinnert werden möchte, aber nicht mehr gewußt wird, worum es sich dabei handelt.

Schlagartig werde ich jedoch "wach" und damit bewußtseinskontinuierlich, als ich vom Bett weggehe auf die Veranda hinaus. Hier wird dann das normale Bewußtsein vollumfänglich erreicht, weshalb ich meinen außerkörperlichen Zustand ganz und gar erfassen kann. Als erstes freut mich das, und ich frage mich, ob ich zum Bett zurückgehen soll, um meine Frau Cathy zu holen. Nach kurzem Überlegen beschließe ich, sie "schlafen" zu lassen, denn sie ist, wie sie mir sagte, ein bißchen krank und fühlt sich unwohl. Also wird diese Reise in eine andere Wirklichkeit ohne sie stattfinden müssen, denn es könnten doch Schwierigkeiten auftreten, die ich besser alleine zu bewältigen suche. Es wäre zudem nicht fair, Cathy in ihrem Zustand in eine Anderwelt mitnehmen zu wollen.

Ganz automatisch ergreife ich auf der Veranda einen Stab und verwende ihn als ein Reitinstrument und damit als Hilfsmittel zum Fliegen. An die Gleichwertigkeit von Stab und Hexenbesen denke ich nicht (erst jetzt beim Aufschreiben)! Ich ergreife den Stecken ganz intuitiv und wie selbstverständlich, denn ich erhoffe mir mit dessen Hilfe, ruhiger fliegen zu können, denn ich weiß ganz genau um meinen außerkörperlichen Zustand, möchte ihn auch gebührend nutzen und die Gelegenheit nicht versäumen, einiges zu sehen.

Aus Furcht, einen BK-Verlust zu erleiden, d.h. die Kontinuität des Bewußtseins zu verlieren, kehre ich nicht zum Bett zurück, um meinen physischen Körper zu betrachten, der da gemütlich schläft. Wegen der Dunkelheit wäre er ja doch nicht "normal" zu sehen! Auch will ich nicht eine Reise in die nähere oder weitere Umgebung der irdischen Welt unternehmen, weil - meiner Erfahrung nach zu urteilen - in diesen Bereichen wegen der stark schwankenden "Gefühls-" und "Attraktionsfelder" der hier lebenden Menschen ein BK-Verlust mit größerer Wahrscheinlichkeit eintreten könnte.

Aus diesen Gründen kommt es beim Hinaustreten von der Veranda in den Garten zu einem Ebenenwechsel. Ich gerate blitzartig in eine Art Parallelwelt. Diese hat einen eigenständigen Landschaftstypus, was deshalb sogleich zu erkennen ist, weil mir eine derartige Gegend völlig unbekannt ist. Auch auf meinen Reisen in andere Welten habe ich so etwas noch nie gesehen.

Vor mir liegt eine leicht abfallende, grasbewachsene Ebene von grüner Farbe. Das Grün ist sehr fremdartig. Die Ebene ist auch nicht eigentlich flach, sondern leicht gewellt. Nirgends sind Sträucher oder Bäume zu sehen, was einen total ungewohnten und merkwürdigen Eindruck macht.

Ich klemme den Stab zwischen die Beine und halte ihn beinahe senkrecht! Sogleich kommt es zu einem Hochsteigen. Aber es sind bloß etwa 50 Zentimeter, worauf ein ziemlich langsames und sehr gemächliches Dahinschweben beginnt. Es erstaunt mich, daß mich der Stecken nicht höher trägt und schneller fliegt. Er scheint bezüglich der Flugtechnik eher einen Rückschritt zu erzwingen, denn ohne Stab bin ich bei anderer Gelegenheit besser geflogen. Doch wegen seiner ausgesprochenen Trägheit und Stetigkeit lerne ich dieses niedrige und langsame Fliegen schnell einmal schätzen. Immerhin geht es - wenn auch langsam - vorwärts, ohne daß ich mich um die Bewußtheit bemühen muß - im Gegenteil, ich kann mich ihrer gewiß sein und sie nutzen und mich bequem umsehen, ohne andauernd darum kämpfen zu müssen, sie zu halten und zu stabilisieren.

Nach ein paar hundert Metern wird der Rand einer überraschend tiefen Senke erreicht, die von einem stotzigen Abhang begrenzt wird. Sie ist gut zwei Kilometer breit. Ein steiler Hang steigt auf der gegenüberliegenden Seite hoch bis auf etwa dieselbe Höhe, in der ich mich jetzt gerade befinde. Diese Senke hat etwas Eigenständiges, denn sie ist weder durch einen Gletscher noch durch Wasser oder eine Absenkung entstanden. Ich kann mir überhaupt nicht denken, welches die Ursache ihrer Bildung hätte sein können. Deswegen macht sie auf mich einen etwas beklemmenden Eindruck.

Ich schwebe ein wenig über den Rand hinaus und kann jetzt einige Häuser sehen - offensichtlich ein kleines Dorf. Es ist aber sehr eigenartig und erlaubt nur eine einzige Schlußfolgerung: "Dies hier ist eine fremde Welt!" In diesem Augenblick bin ich sehr erleichtert darüber, Cathy nicht mitgenommen zu haben. Die Situation hätte für uns beide doch etwas zuviel sein können. Erschwerend ist zudem, daß diese Landschaft und mit ihr diese Welt mich eindeutig als einen Fremdkörper erkannt hat. Das ist stark zu verspüren! Nun ist eine Abstoßungsreaktion von nicht unbeträchtlichem Ausmasse im Gange. Es ist aber keineswegs mit einem direkten Angriff zu rechnen.

Eine Art "Grauen" liegt in der Luft. Ich werde als "Außerirdischer" betrachtet, der in eine Welt eingedrungen ist, welche die menschliche Gestalt nicht zu kennen scheint - und schon gar nicht solche Wesen, die bewußtseinskontinuierlich sind.

Meines Erachtens sind die Häuser in der Senke am Rande des Steilabfalles total unirdisch, und es ist mir nicht möglich, sie in ihrer Form zu beschreiben - denn sie sind einfach "anders". Zwar sind es Häuser - und sie sehen aus wie die Häuser der Erde -, doch die Gebäude sind total "verfremdet". Dies bringt mir zu Bewußtsein, daß ich die Bauten bloß deshalb wie irdische Häuser sehe, weil ich sie nicht anders erblicken kann - und sie in ihrer Andersartigkeit nicht zu erfassen vermag. Es fehlt mir das dafür notwendige Erkennungs-Raster.

Ein grundlegendes Grauen geht von den Häusern aus. Es kann sich dabei nur um eine Reaktion handeln, die meiner Ankunft ausgelöst hat. Es ist keine Feindseligkeit, sondern eine Folge des Erscheinens von etwas "Ganz-Neuem", dem nun notgedrungenermaßen eine Chance gegeben werden soll, sich zu etwas Gewohntem umzuwandeln. Dieses zurückweichende Grauen und dieses zurückhaltende Entsetzen sind vor allem auf die Kontinuität meines Bewußtseins, also auf die BK, zurückzuführen. Auch muß der Ort eine wesentliche Rolle spielen, den ich zufälligerweise dazu benutzt habe, in dieser Welt aufzutauchen. Damit sind zwei ganz ungewöhnliche Kriterien erfüllt, deren Zusammentreffen eben diesen "Effekt des Grauens" ergeben haben:
1. Ich bin BK, und
2. der Übertritt erfolgte an einem ganz ungewöhnlichen Ort.
Es scheint nämlich so zu sein, daß normalerweise bei vorhandener BK eine für den Übergang gewissermaßen "sanktionierte" Stelle verwendet wird

Dennoch gibt es keine auf Zerstörung ausgehende Abwehrreaktion. Vielmehr herrscht eine gespannte Aufmerksamkeit, eine Art Alarmstimmung, welche ich dringendst in bezug auf mein Handeln zu berücksichtigen habe. Einen "Fehler" darf ich mir nun nicht mehr erlauben.

Während des langsamen Gleitens hinunter zur Talsohle betrachte ich voller Anspannung die Häuser. Zwischen ihnen sind Lebewesen zu erkennen, die eine menschliche Gestalt zu haben scheinen. Dies ist allerdings wegen der Entfernung nur schwer festzustellen. Beim Näherkommen ist deutlicher zu bemerken, daß es sich um eine Art von menschlichen Wesen handelt, allerdings um solche, die bloß ganz entfernt humanoide Züge aufweisen. Es sind Figuren einer anderen Welt, die ich - ähnlich wie die Häuser vorhin - einfach nur deshalb als "Menschen" sehe, weil ich sie in ihrer tatsächlichen Form nicht erfassen kann. Ich übersetze also das mir unvertraute Aussehen in einen mir bekannten "optischen Begriff".

Unten herrscht einige Aufregung. Wohl alle Bewohner haben mittlerweile ihre Wohnstätten verlassen, um mich anfliegen zu sehen. Es macht den Anschein, als sei da in den Straßen des "Dorfes" ein Gerede, ein Raunen, ein Sich-Wundern und Tuscheln. Diese "Menschen" haben offensichtlich noch nie etwas derartiges gesehen, sondern haben vielleicht bloß gehört, daß es sowas geben kann. Es macht überhaupt den Eindruck, als sei diese Gegend sehr ländlich und als seien diese Leutchen so etwas wie "Bauern", die weit weg von allen größeren Agglomerationen leben.

Ich wage nicht, mich ihnen zu nähern, sondern halte mich abseits von den Gebäuden. Dies scheint den Dorfbewohnern nicht ungelegen zu kommen, denn irgendwie ist ihnen die Sache nicht ganz geheuer. Es gilt also aufzupassen und ihre Angst nicht zu schüren, denn sonst hätte das schlimme Folgen haben können. Auf einen Angriff möchte ich es auf jeden Fall nicht ankommen lassen.

Kaum bin ich in geringer Höhe und ziemlich langsam am Dorf vorbeigeflogen, kommt mir ein männliches Wesen entgegen. Auch er "reitet" auf einem Stab, der etwa ein Meter lang ist. Er hält ihn ziemlich senkrecht. Der Mann kann nur ein Bewohner dieser Welt sein, der irgendwie vernommen hat, daß jemand, der "weiß" (der also bewußtseinskontinuierlich ist und seinen eigenen Zustand jederzeit exakt erfassen kann, weil er über alle emotionalen und kognitiven Funktionen verfügt), in diese, seine Welt "eingedrungen" ist. Ich "sehe" diesen Mann wie die anderen Gestalten als ein "nicht-menschliches Menschenwesen".

Der ruhige Mann ist sehr freundlich und erkennt sogleich, daß ich gewisse Schwierigkeiten mit der Flugtechnik habe. Das scheint ihn sehr zu erstaunen, denn es paßt nicht zur Tatsache, daß ich als ein bewußtes Wesen bewußt (im außerkörperlichen Zustand) hierhergekommen bin. Doch er macht deswegen kein Aufheben, sondern anerbietet sich spontan, mir gewisse Techniken beizubringen. Das akzeptiere ich natürlich mit großer Freude.

Nun zeigt er mir mit seinem Stab, wie es getan werden muß. Ein leichtes Biegen des oberen Teiles nach rechts bewirkt das Fliegen einer Rechtskurve. Je stärker und heftiger gebogen wird, desto enger wird die Kurve geflogen und desto schneller ist der Flug. Ein mehr oder weniger starkes Biegen des Stabes nach vorne bewirkt entweder eine Beschleunigung oder ein Absinken. Ähnliches gilt für eine Linkskurve. Diese einfachen Manöver und Flugtechniken erfasse ich rasch, merke jedoch, daß ich noch lange nicht alle Geheimnisse des Fliegens kenne. Immerhin - ich bin schon zufrieden, daß ich mal diese einfachen Grundregeln habe lernen dürfen und realisiere aufgrund der Bewußtheit vollumfänglich, daß mir da eine wunderbare Flugtechnik beigebracht worden ist - und freue mich echt darüber. Verblüffend ist zudem, daß mir gerade auf dieser Reise in dieser Welt ein Lehrer begegnet ist, der mich bereitwillig als "Schüler" angenommen hat.

Die neuerworbenen Kenntnisse werden zuerst ein bißchen geübt und ausprobiert. Aha! Meine Flugtechnik hat sich doch ganz wesentlich verbessert! Zuvor konnte ich mit dem Stab nur langsam und geradeaus fliegen. - Wie wir nach einiger Zeit zum Anstieg auf der anderen Seite der Senke kommen, beschleunige ich nochmals und fliege versuchsweise einige Links- und Rechtskurven. Das funktioniert überraschend gut! Auch wenn ich die Technik noch lange nicht im Griff habe, ist immerhin ein Anfang gemacht. Oben angelangt, fliege ich parallel zu meinem Lehrer, der mich bittet, ihm zu folgen und sagt:
"Ich werde dich zur nächstgelegenen Stadt bringen!"

Da bin ich aber ziemlich gespannt, denn eine solche Stadt habe ich bislang wohl kaum gesehen. Andererseits gilt es, sehr zurückhaltend zu bleiben, denn gewisse Dinge in dieser Welt scheinen irgendwie nicht ganz in Ordnung zu sein. Ich vermag allerdings nicht zu sagen, worum es sich dabei handelt und nehme mir einfach vor, vorsichtig zu bleiben, denn ich kenne d§§as Land und die Leute hier überhaupt nicht. Um da wieder heil herauskommen, muß ich mich schon ein bißchen anstrengen und darf unter keinen Umständen unachtsam und leichtsinnig werden.

Weil wir ziemlich stark beschleunigen, ist nach einigen Minuten der Rand einer Stadt erreicht. Unterwegs sprechen wir kaum, denn der Mann bleibt reserviert. Dabei wird deutlich, daß er in mir einen extrem seltenen Fall sieht. Möglich, daß man einmal von solch absonderlichen Dingen gehört hat, aber es ist - der Reaktion des Fluglehrers nach zu urteilen - etwas anderes, es selber zu erleben. Vor allem die Tatsache meiner Bewußtseinskontinuität, also des Wissens um meine Herkunft und meinen außerkörperlichen Zustand, scheint das eigentlich Verblüffende und Ungewohnte zu sein. Dies alles macht mich für diesen Mann zu etwas ganz Ungewöhnlichem, zu einer Person, derer er sich möglichst schnell wieder zu entledigen wünscht.

Es gelingt mir nur am Rande, die Gegend genauer zu beachten, da ich mit der Flugtechnik voll beschäftigt bin - wie ein Autofahrschüler, der kaum in der Lage ist, Landschaftseindrücke aufzunehmen. Irgendwo in der dunstigen Ferne ist eine Stadt zu erahnen. Diese erreichen wir schließlich und fliegen zielstrebig in eine der Straßen, deren Häuser einen irgendwie mittelalterlichen "Hauch" ausstrahlen.

Wir stoppen bei einem nett aussehenden, gasthofähnlichen Haus, und ich werde gebeten, die paar Stufen zum Eingang hinaufzusteigen und einzutreten. Der Mann hat mich in ein Wohnviertel gebracht, wo Leute leben, die in dieser Stadt etwas zu sagen haben. Das wird mir in dem Moment klar, als ich die "hölzerne Treppe" in das erste Stockwerk hinaufgehe und in einen sauberen und reich ausgestatteten Raum hineinsehe, in dem kostbar gekleidete anderweltliche Wesen an weiß gedeckten Tischen sitzen. Es macht zunächst den Eindruck, als handle es sich um ein Restaurant der gehobenen Klasse, was aber eine Täuschung ist, denn wir befinden uns in einer "Wohnung". Doch wie sollte ich die Möglichkeit haben, Geladene von Gastgebern zu unterscheiden? Die Sozialstruktur dieser Wesen ist mir ein Rätsel! Also keine voreiligen Schlüsse ziehen! Auf dieser Welt bin ich wie ein Feldforscher der Völkerkunde (ein Ethnograph), der zum ersten Mal einen ihm völlig unbekannten Stamm besucht. Ja, nicht einmal die Sprache ist ihm bekannt!

Die Reaktion der Wesen ist ähnlich wie die der "Bauern". Ich werde aufmerksam, zurückhaltend und vorsichtig beobachtet. Bei all der gespannten Erwartungshaltung schwingt hier jedoch zusätzlich und "unüberhörbar" ein extrem arroganter Ton mit, der mir sofort Klarheit darüber verschafft, was diese Wesen von mir halten und was ich zu erwarten habe. Man betrachtet mich als ein höchst "primitives Wesen". Ihrer Ansicht nach wurde es zwangsweise aus einer anderen Welt geholt - und ist keineswegs freiwillig, und schon gar nicht aus eigenem Antrieb hierhergekommen. Die Vorstellung, daß es einem Primitiven gelingen könnte, aus eigener Kraft diese Welt zu erreichen, liegt gänzlich außerhalb des Vorstellungsvermögens dieser Weltenbewohner. Ich spüre zum ersten Male in meinem Leben, was es heißt, in den Zeiten des Kolonialismus nicht auf der Seite der Weißen gestanden zu haben und fühle beinahe körperlich die Arroganz und Überheblichkeit, gegen die es keine Abwehr gibt. Wehe, wenn ich mich dagegen auflehne - das hätte für mich verheerende Folgen!

Die Erwachsenen hier betrachten mich - blasiert - als ein Spielzeug, als willkommene Abwechslung und als - Sklaven! Mir wird blitzartig mit aller Deutlichkeit bewußt, was es heißt, Sklave zu sein. Egal, was auch immer ich sage oder erzähle, müßte als fanatischster Irrwitz gelten und würde nur "belächelt" werden. Erklärende Worte meinerseits könnten einzig die vorgefaßten Meinungen bestätigen. Das Wesen, das in meiner Person hier vor den fremden Wesen steht, ist dumm und unwissend. Es kennt die Realität nicht, und es kann sie weder erfassen noch überblicken.

Man scheint sich sehr schnell darüber im Klaren zu sein, was mit mir geschehen soll. Ich werde an einen Knaben gewiesen, der etwa 12 Jahre alt ist - vielleicht auch 15. Dieser Kerl ist schmächtig gebaut und eindeutig der Sohn sehr reicher und mächtiger Eltern mit viel Einfluß. Man sagt mir, ich solle ihm - Schreibunterricht geben. Ich staune nicht schlecht! Weshalb soll dieser Junge denn lernen, mit dem Schreibstift umzugehen, wie das auf "meiner Welt", der Erde, üblich ist? Weshalb soll er ein Schriftbild lernen, ohne die dazugehörige Fremdsprache zu kennen? Hier sprechen nämlich alle eine Sprache, die unirdisch ist!

Plötzlich erfasse ich den Sachverhalt. Nach den Vorstellungen dieser Wesen bin ich zwecks Demonstration der Machtfülle der Bewohner dieser Welt "gekidnappt" worden. Jetzt soll ich gefälligst als Sklave einem ihrer Jungen eine völlig fremde Schrift beibringen. Das ist reinster Snobismus und zeigt im Grunde nur meine totale Unfähigkeit und Untauglichkeit. Immerhin bin ich schlau genug, mir von meinem "Wissen" nichts anmerken zu lassen. Voller Bewunderung muß ich an die "Naturvölker" auf der Erde denken, die zwangsweise Kontakt mit den "zivilisierten Weißen" aufzunehmen hatten. In diesem Moment erst erkenne ich gefühlsmäßig die damit verbundene Tragik in ihrer vollen Tragweite,

Der Junge geht mit mir in einen "Nebenraum" zu einem kleinen Tisch abseits der anderen Tische. Hier sind wir in einem "Erker" über der Straße. Der Knabe ist wie seine Eltern blasiert und überheblich, läßt aber immer noch gewisse kindliche Züge durchschimmern, die in diesem Augenblick voll zum Durchbruch kommen. Der Kontakt mit einem "Außerirdischen" muß für ihn ein tolles Ereignis sein! Es ist ein echtes Abenteuer, um das ihn viele seiner Kollegen beneiden werden. Er wird dieses Privileg sicherlich ganz leidlich auszunutzen verstehen.

Am Tisch falte ich ein paar Papierflieger - kleine Dinger von etwa vier Zentimetern Flügelspannweite. Sehr zum Gaudi des Jungen werfe ich sie in die Luft. Wohlwollend wird dieser eher "pädagogische" Einstieg von den Erwachsenen nebenan akzeptiert. Wenigstens kann der primitive Fremde den Jungen zerstreuen!

Wenig später ist eine sehr günstige Gelegenheit, um zu fliehen. Das geschieht wesentlich schneller und eigentlich unerwartet. Die Flucht stößt auf keinerlei Schwierigkeiten, und zwar einfach deswegen, weil niemand erwartet, daß ein "Primitiver" nur schon den Gedanken an eine Flucht hegt! Aus diesem Grunde kommt niemand auf die Idee, mich zu verfolgen bzw. mich einfangen zu lassen. So gelingt es mir, unten auf der Straße relativ gelassen weitere Vorbereitungen zu treffen.

Irgendwie muß ich zu "Geld" kommen, um in dieser Welt untertauchen zu können! - Eine jüngere Frau geht über die Straße, sieht mich und merkt sofort, daß ich ein Entflohener bin. Ihre Reaktion ist eher panikartig betroffen und unüberlegt. Sie bleibt wie angewurzelt stehen und scheint keinerlei Ahnung zu haben, was zu tun ist. Mein Verhalten ist für sie völlig unwahrscheinlich und - unmöglich. Es ist mir deshalb ein Leichtes, ihr die Kette aus wertvollen Edelsteinen vom Halse zu reißen. Wenigstens meine ich es, aber dann ist doch einiger Widerstand zu überwinden, denn die Frau hat sich gefaßt und setzt jetzt "geistige" (PSI-) Kräfte ein. Bei diesem Kampf werden die Kettenglieder arg verzogen, sie dehnen sich, reißen aber nicht.

Der Kampf wird immer heftiger! Die Frau zeigt ein ungläubiges Staunen, als sie realisiert, daß ich ihr durchaus ebenbürtig bin. Und vollends beginnt sie an ihrem gewohnten Weltbild zu zweifeln, wie sie merkt, daß meine magischen Kräfte die ihren übersteigen! Knapp geht sie an einem "Nervenzusammenbruch" vorbei und kann sich gerade noch "halten". Das allerdings ist mehr ihrer Arroganz zuzuschreiben denn ihrer Vernunft. Sie scheint sich in der Not schnell ein Erklärungsmodell zusammengebastelt zu haben - etwa in der Art, daß mir jemand geholfen haben muß. Es kann einfach nicht sein, was nicht sein darf! Es gelingt mir sogar, den zweifach um den Leib geschlungenen Gürtel wegzureißen.

Nun besitze ich genügend Edelsteine, um mich in diesem Lande durchzuschlagen. Zum Teil sind es wirklich sehr schöne Stücke, die sehr wertvoll sein dürften. Gewissensbisse wegen der Frau mache ich mir keine, denn ihr Reichtum muß unermeßlich sein! Zudem bin ich gezwungen, so zu handeln, denn es geht für mich ums nackte Überleben. Ich will ja wieder aus dieser Welt raus und zurück in die meine - und nicht als "Sklave" im vollen Bewußtsein meiner "wahnwitzigen" Situation außerkörperlich hier verbleiben. Wer weiß, wie lange mein Aufenthalt sein wird!

Notfalls benötige ich "Mittel", um wenigstens nicht allzusehr aufzufallen. Sonst ist damit zu rechnen, daß man mich wieder als Sklave "benutzt". Niemand wird mir meine Geschichte glauben oder mir sogar helfen, zurückzukehren!

Die Frau lasse ich stehen, sie wird bestimmt noch einige Zeit brauchen, bis sie vollumfänglich das Ereignis zu erfassen vermag - und das wird mir genügend Zeit geben, zu verschwinden. Den Stab habe ich glücklicherweise vorhin mitgenommen - und so klemme ich ihn wieder zwischen die Beine und fliege los. Jetzt geht es schneller und wendiger, denn die Flug-Technik beherrsche ich dank des Unterrichtes durch den Mann schon ein bißchen besser.

Um nicht aufzufallen, fliege ich langsam ein wenig zwischen den Häuserreihen der Stadt und schaue die "Häuser" genauer an. Dabei ist festzustellen, daß mich die Leute auf der Straße unten nicht sehen können. Diese "Unsichtbarkeit" ist mir von früheren außerkörperlichen Erfahrungen her bekannt, dennoch staune ich auch jetzt wieder über diese Tatsache. Weshalb können mich jeweils gewisse Wesensformen sehen und andere wieder nicht?

Die Stadt liegt in einer fremdartig anmutenden und stark "gegliederten" Gegend, wo allenthalben sehr steile Berge von überraschend geringem Umfang und etwa 50-100 Metern aufragen. Die Berge sind gänzlich bewaldet und ohne irgendwelche Bauten. Deswegen erscheinen die Straßen der Stadt schluchtartig und wirken relativ dunkel.

Plötzlich merke ich, daß man mich gesehen hat. Unten auf dem Gehsteig steht ein junger Mann neben einem merkwürdigen Transportmittel, das mich unwillkürlich an eine Antigravitationsplatte erinnert. Er hat die mit einem gewölbten Rand versehene etwa 2 Meter lange und 1.2 Meter breite elliptische Platte mit einem langen Seil von eigenartig silbriger Farbe an einem Laternenmast angebunden. Weshalb?

Sofort erkenne ich, daß dieser Mann Angehöriger einer Abteilung der Schutztruppe dieser Parallelwelt ist. Und er scheint soeben die "Militärakademie" absolviert zu haben, denn sein Sinnen und Trachten geht eindeutig darauf aus, sich die ersten Lorbeeren abzuverdienen. Seine Haltung läßt nur diesen Schluß zu, und sein Ehrgeiz ist ein nicht zu unterschätzenden Faktor, der mir ohne weiteres zum Verhängnis werden könnte. Kaum hat der junge Mann mich gesichtet, beginn er sofort sein Gefährt flugbereit zu machen und nimmt die Verfolgung auf. Mit dem Instinkt des ehrgeizigen Neulings ahnt er wohl, daß da ein "fetter Fang" gemacht werden kann. Er hat offenbar gemerkt, daß ich ein Außerirdischer bin!

Jetzt gilt es möglichst schnell wegzukommen! Trotz der vielen Mängel in bezug auf die Flugtechnik ist meine Flugweise besser als die des unerfahrenen jungen Mannes, der wie ein Besessener versucht, mich einzuholen. Es gelingt mir, den Verfolger abzuschüttelt, denn in der zerklüfteten Gegend kann ich mit meinem Stab wesentlich besser manövrieren als er mit seiner doch ziemlich großen Plattform.

Die Flucht gelingt, und ich gerate zufälligerweise an eine Stelle, wo es möglich ist, in meine eigene Welt hinüberzuschlüpfen. Dabei scheint der Wunsch, aus dieser Parallelwelt herauszukommen, eine Rolle gespielt und dazu geführt zu haben, daß eine Art Anziehung zu einem Übergang, der benutzt werden kann, aufgebaut worden ist.

Ich "sause" direkt zu meinem physischen Körper und steige rasch in diesen hinein. Es ist, als würde ich in rasender Fahrt einen genau berechneten Stopp machen und mit meinen Zweitkörper exakt in den im Bett liegenden Körper einrasten. Gleichzeitig erwache ich auch mit diesem, d.h. ich bin mir blitzartig statt der Empfindungen des Zweitkörpers der Empfindungen des physischen Körpers bewußt. Ich bin jetzt im irdischen Körper hellwach und bereit zu jeder möglichen Handlung. Doch sofort realisiere ich, daß keinerlei Gefahr mehr besteht.

Die eben gemachte Erfahrung erstaunt mich sehr. Verblüffend ist vor allem, daß ich vorhin eine wirkliche Anderwelt gesehen habe mit Wesen, die völlig anders sind als die Menschen. Dies ist höchst interessant! Vor allem die Flugschulung und die Sklavenhaltung geben mir zu denken. Nachdem ich mir ein paar Notizen gemacht habe, überlasse ich mich dem Schlaf.

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Anmerkungen

Anm.1: Als hypnagogisch wird derjenige Zustand bezeichnet, der zum Schlaf (hypnos) führt (gogein). In dieser Phase wechselt der physische Körper beim Einschlafen vom Wach- in den Schlafzustand und beim Aufwachen vom Schlaf- in den Wachzustand. Vor allem in der Einschlafphase treten die verschiedensten optischen, akustischen und taktilen Empfindungen auf - auch Schmerz und geruchlich-geschmackliche Sensationen. Der hypnagogische Zustand eignet sich zur Schulung der Aufrechterhaltung des kontinuierlichen Ich-Bewußtseins, wobei ein natürlich gegebener Umstand genutzt wird, in dem keinerlei künstliche Hilfsmittel benötigt werden.
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Anm.2: Bei einem abaissement du niveau mental" sinkt die Bewußtseinsschwelle, womit dem Bewußtsein Energie "entzogen" wird. Der aktiv-bewußte Zustand ändert sich in einen passiven "ergriffenen". Es genügt eine leichte Ermüdung, um die Anpassung an die reale Welt, die sich durch gerichtetes Denken ausdrückt, aufzuheben und durch Phantasien zu ersetzen. Wir schweifen vom Thema ab und hängen eigenen Gedankengängen nach. Wird die Entspannung der Aufmerksamkeit stärker, so geht allmählich das Bewußtsein der Gegenwart bzw. des momentanen Zustandes verloren.
Anm.2 Ende - zurück zum Text


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