Cauda pavonis - Vielfalt und Einheit

Werner Zurfluh
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Die Farbenpracht des Pfauen
Texte und Gedanken aus den Jahren 1971-1999

Es ist ein Leichtes, allen Sorgen, Anstrengungen und Kämpfen aus dem Wege zu gehen. Die Zeit lässt sich durchaus in einem beständigen Rausch durchleben. Wenn Freuden, Genüsse und Zerstreuungen dominieren, muss keine Besinnung aufkommen und das Bewusstsein kann bequem vor sich hindümpeln und dahindämmern - und es ist nicht notwendig, verantwortlich zu handeln und sich für irgend etwas zu entscheiden.

Es scheint wesentlich angenehmer, bloss Zuschauer zu sein. Dies hat durchaus einen prophylaktischen Einfluss, kann aber zum Voyeurismus entarten. «Am Untergang vorbeizuleben, bildet einen zwar zunächst weiterführenden, auf die Dauer jedoch irreführenden Schritt. Drückebergerei ist dieses Vorbeileben nämlich ebenfalls: ein bald mehr feiges, bald mehr bequemes Vorbeileben, das sich der grösseren Anstrengung des Überlebens entzieht» (Orientierung 1979 Nr.43 S. 182).

Am 1. März 1971 bin ich in einem mir unbekannten Haus und schaue aus einem der Fenster in eine mir unbekannte Gegend hinaus. Da kommt ein alter Mann zu mir. Wir gehen zusammen nach draussen und blicken auf das gar wunderlich gefärbte Meer, über dessen Oberfläche ein herrliches, pastellfarbenes Wechselspiel von Farben gleitet.

1971 waren für mich die Dinge im Zusammenhang mit dem nächtlichen Erfahrungsbereich noch relativ neu (nicht nur diese, auch die Belange des Alltags galt es zu erschliessen). Darauf macht mich das nächtliche Geschehen aufmerksam. Es zeigt das Meer als eine Art "prima materia", in welcher die Farben der "cauda pavonis" zu erblicken sind. Damit eröffnen sich neue Ausblicke von grösster Vielfalt und überwältigender Schönheit.

Es ist wichtig, dass der alte Mann - er gleicht übrigens C.G. Jung - mich begleitet, denn er verkörpert jemanden, der sich ernsthaft und gewissenhaft mit der Vielfalt der Erscheinungen des Unbewussten bzw. der Anderwelt und den Dingen des Alltags auseinandersetzt.

Das Wechselspiel der Farben auf der Meeresoberfläche gleicht der Pracht des Pfauenschwanzes. In ihm kommt eine phantastische Vielfalt von Möglichkeiten zum Ausdruck, welche die Gegensätzlichkeit einer rationalen Schwarz-Weiss-Auseinandersetzung bei weitem übersteigt.

Es kann gefährlich sein, alles immer nur als ein berückendes, aber letztlich doch unverbindliches Spiel der Vielfalt zu sehen. Im Extremfall ergibt sich aus der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen ein Zustand, der eher verwirrt und zersplittert, weil er keine Entscheidungen mehr erfordert. Die Vielfalt kann zu einem überaus spassigen und völlig belanglosen Vergnügungszustand werden, der den Menschen davon abhält, Fragen zu stellen.

Die Vielfalt ist eine Erscheinungsform der Multidimensionalität des Einen - und damit eine Herausforderung in bezug auf die bewusste Erschliessung der Mannigfaltigkeit im Hinblick auf die verbindende Einheit.

Vielheit und Einheit sind spannungsgeladene Gegensätze, die es zu verbinden gilt. Dies dürfte den Menschen schon seit langer Zeit beschäftigt haben. Beispielsweise traten Kontraste und Gegensatzspannungen im 14. und 15. Jhd. wesentlich stärker und deutlicher zutage als heute: «Durch den immerwährenden Kontrast, durch die Buntheit der Formen, mit denen sich alles dem Geiste aufdrängte, ging von dem alltäglichen Leben ein Reiz, eine leidenschaftliche Suggestion aus, die sich offenbart in jener schwankenden Stimmung von roher Ausgelassenheit, heftiger Grausamkeit und inniger Rührung, zwischen denen das mittelalterlich Stadtleben sich bewegt» (Johan Huizinga, «Herbst des Mittelalters», Hg. Kurt Köster (Stuttgart: Kröner, (1941) 11.Aufl. 1975 S.2). Die mittelalterlichen «Urkunden vermitteln wenig von dem Unterschied im Lebenston, der uns von jenen Zeiten trennt. Sie lassen uns das heftige Pathos des mittelalterlichen Lebens vergessen. Von all den Leidenschaften, die ihm seine Farbigkeit geben, kommen in den Urkunden in der Regel nur zwei zu Wort: Habgier und Streitsucht» (ibid. S. 10). «Der moderne Mensch macht sich in der Regel keine Vorstellung von der zügellosen Extravaganz und Entflammbarkeit des mittelalterlichen Gemütes» (ibid. S. 18), er unterschätzt die Kompliziertheit der "inneren Welt" (die Alchemisten sprachen von sehr komplizierten "Maschinen") und versucht sie durch Ästhetisierung zu bändigen in der Meinung, in der Vielfalt gehe die Individualität verloren.

Die Farbenpracht des Lebens droht in dem Moment zu einem belanglosen Spiel und zu einem kunterbunten Gemälde zu werden, das keinerlei Konsequenzen zeitigt, wenn es bloss aus der Ferne und als rein ästhetisches Ereignis betrachtet wird. Viele Menschen verhalten sich der Welt gegenüber wie Kinobesucher, die sich auf der Leinwand ein wahres Feuerwerk von Bildern vorzeigen lassen. Aber das, was auf der Leinwand (oder dem TV-Bildschirm) gezeigt wird, ist für sie unverbindlich und bedarf keiner persönlichen Auseinandersetzung. Dazu gehört auch die Zirkuswelt, die Show-Bühne, der Karneval, der Sport und das Theater.

«Wieviele Verlockungen sind rund um uns her zurechgemacht - von unseren Kollegen oder von uns selbst? Wie oft gehen wir deswegen an einem einzigen Tag uns verloren und werden zerstreut? Wir müssen sehr sorgfältig sein, um unser Schicksal und unseren Frieden zu bewahren. Das bedeutet nicht, daß wir alle unsere Fenster schließen sollten, denn es gibt viele Wunder in der Welt, die wir 'Außen' nennen. Öffne deine Fenster diesen Wundern. Schau jedes von ihnen an mit dem Licht des Gewahrseins» (Thich Nhat Hanh, Die Sonne mein Herz (Zürich-München: Theseus: (1988) 2. Auflg. 1993 S.49).

Vielen scheint die Beschäftigung mit dem "Seelischen" gerade wegen der unberechenbaren Vielfalt extrem gefährlich, denn es wäre - so meinen sie - ohne weiteres möglich, dabei den Verstand zu verlieren und wahnsinnig zu werden. Dies ist denn auch der Grund, weshalb sie sich mit der Kinoleinwand und dem TV-Bildschirm begnügen und als unbeteiligte Konsumenten im bequemen Sessel sitzen bleiben.

Nun gut, das ist eine durchaus legitime Möglichkeit, denn es müssen und können sich keineswegs alle die "Welt hinter der Leinwand" erschliessen, um dann von einem Erfahrungsmaterial zu erzählen, das von den abenteuerlichsten Reisen in das Reich des Seelischen kündet.

Die in der Vielfalt vordergründig zum Ausdruck kommende Unverbindlichkeit lässt sich bei genauerem Hinsehen relativ leicht durchschauen und überwinden. Dies zeigt die im Artikel Schlaraffenland und Verantwortung erzählte Erfahrung vom 16. Februar 1976, wo es darum ging, definitiv aus der einschränkenden Welt der kulinarischen Köstlichkeiten und Schlemmereien auszusteigen.

Luzidität bzw. Bewusstseinskontinuität ist mehr als bewusstes Erleben von 'Völlereien'. Bewusstheit schliesst das kritische Reflexionsvermögen und die Eigenverantwortlichkeit mit ein. Nur auf diese Weise wird eine Auseinandersetzung gelingen, die es erlaubt, Gespräche und Beobachtungen miteinzubeziehen. Nur so wird verhindert, dass das Ich unbewusst wird und in Handlungsabläufe versinkt, die von einer bloss konsumatorischen Haltung geprägt sind.

Am 19. August 1976 stehe ich in einer Küche. Draussen ist pechschwarze Nacht. Das Haus liegt am Ufer eines mehrere 100 Meter breiten Stromes, der träge von rechts nach links dahinfliesst. Wegen der Dunkelheit ist er kaum zu sehen. Langsam dämmert der Morgen. Die Sonne erscheint am Horizont. Es ist äusserst verblüffend und beunruhigend, mit welcher Geschwindigkeit sie aufsteigt.

Der Fluss bildet die Grenze zu einem 'Jenseits'. Und diese Grenze muss bewacht werden, welche Aufgabe mir übertragen worden ist. (Anm.: Das bewusste Ich ist für die abgrenzende Unterscheidung der Ebenen verantwortlich.) Um meine Aufgabe erfüllen zu können, habe ich mir eine ganz besondere Waffe zusammengebastelt.

"Was ist das für ein Gewehr?" fragt ein Mann.
"In dieser Waffe sind meine Erfahrungen in bezug auf diverse Grenzübertretungen eingearbeitet."

Um die Waffe zu demonstrieren, warte ich, bis an der gegenüberliegenden Uferseite ein Lichtpunkt aufglimmt. Nach der treffsicheren Schussabgabe weitet sich der Lichtpunkt zu einem Lichtkreis aus und krümmt sich anschliessend zu einer Lichtkugel. In dieser werden schemenhafte Gestalten sichtbar.

Mir ist trotz mehrerer Wiederholungen zunächst völlig unklar, welche Funktion das alles haben soll. Vor allem ist mir die Bildung der sich stark expandierenden Lichtpunkte ein Rätsel. Ich weiss nur, dass die auf der anderen Seite auftauchenden punktförmigen Lichter getroffen werden müssen, weil ihre potentielle Gefährlichkeit nur auf diese Weise beinahe vollständig aufgehoben werden kann. Dank des Aufscheinens werden nämlich Details erkennbar. Ein Lichtpunkt ("scintilla") konkretisiert sich aufgrund eines Treffers, verliert seine Unbestimmtheit und wird in seinem Wesen erkennbar.

Danach bin ich an einem Ort, der mich dazu veranlasst, mir meiner Situation definitiv bewusst zu werden. Ich wundere mich sehr über meine Identität, die hier in dieser alltagsfernen Welt kaum mehr etwas mit der Identität auf der Alltagsebene zu tun hat. Und ich wundere mich, dass dieser Ort total verfremdet ist und an London erinnert.

Wie mag ich bloss hierher gekommen sein? Und wer hat mir diese Stadtwohnung zugeteilt?

Nachdem ich die Wohnung genauer angeschaut habe, weiss ich einfach nicht, was weiter zu tun ist. Fast ein wenig ‚blöd' und ‚bedeppert' stehe ich da, aber dann überlege ich mir, dass auch andere Wohnräume dieses Hauses untersucht werden könnten. Vielleicht ist das Haus ja bewohnt, denn es ist Musik zu hören. ...

Mir begegnen tatsächlich ein paar Menschen, und ich frage sie, ob sie wüssten, dass sie sich im Traumzustand befänden. Alle verneinen dies. Niemand versteht meine Frage, denn dafür wäre eine gewisse Bewusstheit der momentanen Situation notwendig. Schade! Es wäre sehr interessant gewesen, mit jemandem zu sprechen, der weiss, dass er sich gerade im Traumzustand befindet und nicht im Wachzustand auf der Alltagsebene.

Da weder die Frauen noch die Männer um ihre Existenzform wissen, leben sie unbewusst und fühlen sich einer anderen Moral verpflichtet. Diese enspricht dem "Kodex der unbewussten Träumer", und der fordert eine freie Sexualität. Jede Art von erotischer Beziehung muss sexuell zum Ausdruck kommen. Eigentlich würde mir diese "Freiheit" behagen, weshalb ich beginne, eine der Frauen zu entkleiden.

Zu den anwesenden Frauen sage ich: "Wenn ihr schon nicht wisst, dass ihr träumt, dann können wir ja gemeinsam den anderen Sittenkodex leben."

Beim Streicheln und Drücken der satten, mittelgrossen Brüste der figurmässig perfekt gebauten Frau wird mir bewusst, dass jeder weitere Versuch mit einem Bewusstseinsverlust erkauft werden müsste. Deshalb halte ich in meinem Tun inne. Dieser Verzicht fällt mir umso leichter, als in diesem Moment die ersten Sonnenstrahlen der Morgensonne in den Raum fallen.

Die Damen gehen in ihr Zimmer und kleiden sich an. Sie rufen mir zu, dass sie gleich anschliessend den Karneval in der Stadt besuchen wollen.
"Willst du uns begleiten?"
Aber dazu habe ich keinerlei Lust.

Statt dessen gehe ich in den Garten. Hier wachsen vielerlei Pflanzen und da steht auch ein Brunnen. Das Wasser strömt derart stark, dass es überläuft. Bald merke ich, dass die Wassermenge von der Art der Quellfassung abhängt. Jemand hat die falsche Fassung angebracht, weshalb es jetzt zu einer Überschwemmung kommt.

Das Wasser hat etwas mit den Seelen der in der Nähe lebenden Menschen zu tun, und die Farbe des Wasser widerspiegelt ihren Zustand. Dieser ist von der Menge und der Farbe des Wassers abhängig - und nicht umgekehrt. Das erstaunt mich, aber es findet seine Erklärung in der relativen Unbewusstheit der Leute. Jetzt gerade scheinen sie - der satten grünen Farbe des Wassers nach zu urteilen - sehr glücklich und geradezu euphorisch zu sein.

Die Überschwemmung hat mittlerweile bedenkliche Ausmasse angenommen. Ich stehe bereits knöcheltief im Wasser. Deswegen sehe ich mich gezwungen, die Wasserfassung auszutauschen. - Sofort fliesst das Wasser in geringeren Mengen. Die Überschwemmung geht zurück - aber damit auch der überglückliche Zustand der Leute. Sie werden traurig, apathisch und müssen jetzt ein eher langweiliges Leben ohne Höhen und Tiefen führen.

Nun kommen die Bewohner der Hauses vom Karneval zurück. Sie sind eher unlustig. Aber das muss noch eine andere Ursache haben. Eine Ursache, die nichts mit der Wassermenge und der Wasserfarbe zu tun hat. Meine Vermutung wird durch eine Art visionärer Erfahrung bestätigt:

Da lebt eine riesenhafte Krake unter der Stadt London. Das Weichtier stellt eine gewaltige Bedrohung für die Stadt und deren Bewohner dar, denn die geringste Bewegung löst ein katastrophales Erdbeben an der Oberfläche aus. Die achtarmige Krake verkörpert DAS grosse Geheimnis. Niemand weiss darum, alle haben es vergessen. Erst jetzt werden mir die wahren Zusammenhänge schlagartig klar. Ich erinnere mich an ein Buch, das in einem grossen Saal gelegen hat. Dort arbeiteten viele Menschen.

Schnell laufe ich zum fraglichen Ort zurück, betrete den Saal, gehe zum Buch und schlage es auf. Alles in ihm ist original handgezeichnet und handgeschrieben. Der Autor heisst WORTH, der Inhalt ist biologischer Natur. Es sind sehr viele Tiere mitsamt ihrer inneren Struktur abgebildet. Das erinnert mich an jene Praktikumsarbeiten, bei denen es um das Sezieren von Tieren und der Darstellung ihrer anatomischen Gegebenheiten ging.

Die ersten zwei Dutzend Seiten des Buches sind dem äusseren und inneren Bau der Krake gewidmet. Worth scheint offensichtlich um die unterirdische Krake gewusst zu haben. Allerdings ist kein schriftlicher Hinweis darauf zu finden, weshalb gerade die Krake am Anfang abgehandelt wird und weshalb dies in diesem Umfang geschehen ist. Eventuell wollte der Autor die Sache nicht publik machen. Möglicherweise hat er die Krake auch nicht direkt in einer Vision gesehen. Vielmehr hat er die Sache geahnt.

Aus dem Buch lässt sich viel über die Anatomie der Riesenkraken lernen. Dieses Wissen könnte sich als sehr nützlich erweisen - vor allem, wenn es darum geht, das Verhalten des Tieres besser ein- und abzuschätzen.

Die Vision der Krake hat mich zutiefst beunruhigt. Bevor ich aber noch weiter über das Gesehene nachzudenken vermag, brandet eine zweite Vision heran: In Indien oder sonstwo in Asien lebt unter der Erde ein riesiger Mensch mit acht Armen. Es ist der Anthropos. Dieser Achtarmige verkörpert eine Art Alternative, denn er ist in der Lage, die schädlichen und destruktiven Wirkungen der Krake aufzuheben. Die Krake ist u.a. der unbewusste Auslöser für eine geradezu bestialische Raffgier, während der achtarmige Anthropos aufgrund seiner verinnerlichten Menschlichkeit fähig ist, die schlimmsten Auswirkungen solcher Regungen zu neutralisieren. - Dieser unterirdische Mensch, der in Europa nicht bekannt ist, wird der ACHTARMIGE HOMO genannt.

Dann sehe ich, wie die Krake sich bewegt. Kurze Zeit danach hebt und senkt sich die Erde. Es ist entsetzlich - vor allem deswegen, weil sehr viele Menschen in Panik geraten.

Laut rufe ich: "Acht, acht, acht, acht, ...., acht!"

Mit dem Rufen möchte ich nicht nur die Leute an den achtarmigen Menschen erinnern, sondern gleichzeitig auch den Anthropos auf die prekäre Situation aufmerksam machen.

Die Leute beruhigen sich tatsächlich. Die Panik legt sich und es wird still und ruhig. Die Menschen beginnen über ihre Lage nachzudenken und zu überlegen, was zu tun sei. Diejenigen aber, die den Aufruf nicht hören konnten, verbleiben in einer panikartigen Stimmung.

Ein etwa 45 jähriger Mann springt von einem Vordach in die Tiefe. Er ist verzweifelt. Seine Tochter springt hintennach. Auch viele andere Menschen, die nichts vom Anthropos wissen, reagieren ähnlich und bringen sich um. Ich muss hilflos zusehen, wie die Panikstimmung um sich greift, denn nach dem ersten Beben kommt es zu massiven und wirklich schlimmen Nachbeben. ...

Jene, die sich an den "Mythos des Achtarmigen Menschen" erinnern, erahnen die Zusammenhänge und sehen ein, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. Sie verlassen ihre Häuser und gehen in die unterirdischen Schutzräume.

Einen Inder fordere ich auf, in den Ruf "Pray … the Eight Armed!" einzustimmen. Auf diese Weise wird einerseits der Achtarmige darum gebeten, hierher zu kommen, und andererseits werden die Leute die dringende Bitte hören und sich ihrer Situation bewusst werden.

Der Mann macht mit. Bald gehe ich weiter, um an anderen Orten die Leute an den Achtarmigen zu erinnern. Dann erwache ich im Bett, wiederhole den zuletzt gehörten Satz mehrere Male und schreibe ihn auf. Aber es ist ein falsches Aufwachen und das Papier bleibt leer. Das merke ich bei einem zweiten Erwachen, dieses Mal auf der physischen Ebene. Aber jetzt kann ich mich nicht mehr an den ganzen Satz erinnern.

Die Krake kann durchaus ein "vorpersonales Böses" verkörpern, das Naturkatastrophen auslöst. Und diese können als Manifestationen dunkler Kräfte aufgefasst werden. Aber die Achtarmigkeit der Krake weist auch auf die Möglichkeit der Selbstwerdung (Individuation) hin. Die ‚Bewältigung' des Bösen erfordert eine Bewusstwerdung. Aber hierfür brauchen die Menschen eine "höhere Kraft", nämlich den Anthropos. Dieser hilft ihnen, Wissen zu erlangen, die Menschlichkeit zu bewahren und selbst die "Achtarmigkeit" zu entwickeln. Ein Anthropos mit acht Armen widerspiegelt nicht nur den "inneren, höheren Menschen" , sondern auch ein Lebewesen, das bewusst auf verschiedenen Ebenen (Alltag, Anderwelt) zu leben vermag. Dass dieses Wesen in Indien beheimatet ist, weist darauf hin, dass ein gewisses Wissen im Osten zu finden ist.

Die Acht als eine Art Mantra, das sich beliebig oft wiederholen lässt. Dadurch werden Schwingungen erzeugt, die zum "Erinnern an die Ganzheit" führen - in einem Doppelsinn: Das Ich erinnert sich an das Selbst - und das Selbst erinnert sich an das Ich.

Der Mann und seine Tochter, die in die Tiefe springen, weisen auf folgendes Problem hin: «Die Entscheidung der höheren Instanz (wz die das Ego transzendiert) muss vom Bewusstsein aufgenommen und anerkannt werden. Das menschliche Ich darf daher der Verbindung mit dem Unbewussten nicht entbehren. Diese Verbindung aber kommt zustande im fortschreitenden Werden der Ganzheitsgestalt des 'Selbst'» (I. Beck «Das Problem des Bösen und seiner Bewältigung» S. 45). Und da der Mann die Anrufung nicht hören kann, weil er sich ausserhalb jenes (psychischen) Raumes, in dem die Anrufung zu vernehmen wäre, befindet, verzweifelt er an der unbewussten bzw. der "vorpersonalen Ganzheit".

Die Krake (Octopus) ist ein achtarmiger Kopffüssler, der auch 'Teufelsfisch' genannt wird. Das Tier ist äusserst scheu und geht nur nachts auf Beutefang. Kraken beissen im Gegensatz zu den Tintenfischen nicht. Ihr Nervensystem erreicht eine bei den Wirbellosen sonst nie erreichte Höhe der Organisation. Sie besitzen höchstentwickelte Linsenaugen, die grössten Lichtsinnesorgane des gesamten Tierreichs. Auch haben sie kompliziert gebaute Statocysten (Gleichgewichtssinnesorgane), ferner je eine Riechgrube unter den Augen und chemische Sinnesorgane in den Saugnäpfen - und sie haben eine Brutpflege. Kraken können die Farbe wechseln und sich so der Umgebung anpassen. Tiefseeformen besitzen prachtvollste Leuchtorgane und werden als "lebende Juwelen" bezeichnet. Nachts auf Beutefang werden Ritzen und Höhlen mit den Tentakeln systematisch abgesucht. Die Beutetiere werden vergiftet und ausserhalb verdaut. Kraken sind Kosmopoliten und wilde Kämpfer. (Vgl. Knaurs Tierreich «Niedere Tiere» S. 280-287.)

Geht der Zusammenhang verloren, zerfällt die Einheit und versinkt ins Niemandsland des Unbewussten. Die Ganzheit wird zu einer destruktiven Krake, die niemand kennt. Das Weichtier verkörpert zwar eine "innere Weisheit" (Nervensystem) und ein "inneres Licht" (Leuchtorgane, Augen), aber es fehlt die bewusste Beziehung. Es bedarf der Umkehr bzw. der Abkehr von den weltlichen Dingen, um den Mythos des achtarmigen Menschen der Vergessenheit zu entreissen. Dies wird durch eine aufrüttelnden Naturkatastrophe geradzu erzwungen.

Der hypnagogische Zustand mit seiner Bilderflut und dem ständigen Hin und Her der Gedanken ist ein gutes Beispiel für die eher "negative Seite" der Vielfalt bzw. der "cauda pavonis". Solche Bilder sind es nicht einmal wert, erinnert zu werden, denn sie sind überaus stark von Tagesresten durchwoben und ganz massiv ideoplastisch gefärbt. Dies bedeutet, dass der Filter der persönlichen Vorstellungen alles andere überlagert. Mit einer Disziplinierung beispielsweise in Form einer "Minimierung der Gedanken" kann der andauernde Strom der Bilder mit "Leichtigkeit" zum Versiegen gebracht werden. Ein Gewucher von Gedanken droht die Kontinuität der Bewusstheit allemal zu ersticken, denn das ununterbrochene Heranbranden von Bildern und Gedanken wirkt in seiner Vielfalt chaotisch, verwirrend und unverbindlich. Ohne Konzentration lässt sich nichts festhalten und ohne Gelassenheit wird das Ich in den Dämmerzustand des Nichtwissens absinken und einschlafen - und so in einen "Nigredo-Zustand" zurückfallen.

Am 28. März 1979 gehe ich eine Strasse mitten in der Stadt zu einem Platz hinauf. Dabei bin ich mir des Traumzustandes klar bewusst. Bei einer Konditorei bleibe ich stehen, schaue zum Schaufenster rein und sehe im Geschäft eine Frau von etwa 45 Jahren sitzen. Sie ist gerade dabei, Süssgebäck einzupacken.

In der Schaufensterauslage stehen Patisseries und Pralinen.

"Die Gelegenheit wäre günstig, durch die Glasscheibe hindurchzugreifen und einige dieser Köstlichkeiten herauszunehmen und zu kosten. Die Frau guckt gerade nicht hin und dürfte kaum merken, dass draussen jemand ist, der dank seines ausserkörperlichen Zustandes in der Lage ist, das Glas zu durchdringen."

Ich durchstosse mit der Hand das Glas und packe ein Süssgebäck. In diesem Moment sieht mich die Frau! Aber sie lächelt bloss nachsichtig und lässt mich gewähren. Ich ziehe die Hand zurück und zerdrücke dabei das süsse Stücklein ein bisschen. Dann koste ich es.

"Mmh - ausgezeichnet. Beste Qualität, ein wahrer Gaumengenuss!"

Weil ich weiss, dass ich träume, will ich die Sache voll auskosten, denn hier kann ich beliebig viel essen - ohne deswegen irgend welche Auswirkungen befürchten zu müssen. Der physische Körper wird kein Fett ansetzen, also greife ich mir zwei weitere raus - und beschliesse dann, es dabei bewenden zu lassen.

Wohl könnte ich den Rest der Nacht damit verbringen, Patisseries zu essen. Aber was soll diese Genussvielfalt schon bringen? Die Geschmacksempfindungen sind Spitze und unvergleichlich. Und trotzdem, Völlerei kann nicht der Zweck des nächtlichen Lebens sein. Drei habe bis jetzt gekostet - und diese drei haben mir wirklich geschmeckt, sie sind besser als das Beste, was ich vom Alltag her kenne.

Also gehe ich und esse unterwegs die beiden Stückleins zu Ende. Ein echter Genuss! Ich schaue meine Hände an. Sie sind schmutzig und klebrig. Wie kriege ich das wieder weg? Doch augenblicklich werden sie sauber. Es ist mir unerklärlich, wie dies hat geschehen konnen.

... In einem der Häuser steige ich die Treppe bis ins Dachgeschosse hinauf. Ein Knabe ergreift vor mir die Flucht und stösst dabei etliche dicke Marmorplatten um. Das scheppert und knallt ganz gewaltig.

Bei diesem Geknalle erwache ich - wie ich meine - im physischen Körper im Bett und denke, dass das Geschepper mit einem Alltagsereignis korrespondieren müsste. Es erstaunt mich, dass ein Traumereignis derart direkt mit einem Geschehen auf der materiellen Ebene verbunden sein kann. Das geht eine ganze Weile so weiter. Aber in der Alltagsebene scheint es nichts zu geben, das den Bruchgeräuschen der Marmorplatten entspricht. Es könnte am ehesten noch mit dem Motorenlärm des Flugzeuges zusammenhängen, des eben startet. Dieses Geräusch erzwingt jedenfalls eine Rückkehr und damit das Erwachen des phsischen Körpers - aber es ist ein anderer Lärm.

Gerade ein luzider Traum eignet sich bestens dafür, sowohl die positiven als auch die negativen Seiten der "cauda pavonis" aufzuzeigen, denn hier begegnen sich zwei unterschiedliche Welten zumindest in der Erinnerung. Dominieren die Wunschvorstellungen des Alltags, wird das Ich - alchemistisch gesprochen - abgelenkt durch etwas Kaltes, Dunkles, Schweres und Unreines. In diesem Falle bedarf es dringendst einer Reinigung durch Bewusstwerdung, denn nur so kann die Verbindung (coniunctio) «mit dem langlebigen inneren (Astral-) Menschen stattfinden» (C.G. Jung, Studien über alchemistische Vorstellungen, GW 13 (Olten: Walter, 1978 S. 173). Dies entspricht dem "Frühlingszustand", welches Motiv schon in einem der ältesten griechischen Texte zur Sprache kommt, nämlich in der «Belehrung der Kleopatra durch den Erzpriester Komarios». Dieser Text wird dem 1. Jh. zugeschrieben. Ostanes ist übrigens ein schon legendärer (persischer) Alchemist vielleicht des 4. Jhs. v. Chr. (Vgl. ibid. S. 174 Anm. 178.)

Es heißt dort: «Ostanes und seine Gefährten sagten zu Kleopatra: '... Sage uns, wie das Höchste zum Niedersten heruntersteigt, und wie das Unterste zum Obersten hinaufsteigt, wie das Mittlere sich dem Untersten und Obersten nähert, so daß sie kommen und geeint werden in bezug auf das Mittlere; wie die gesegneten Wasser von oben herunterkommen, um die Toten aufzusuchen, die ringsum, gefesselt und bedrückt in der Finsternis und im Dunkel, im Inneren des Hades liegen; wie das Heilmittel des Lebens zu ihnen kommt und sie erweckt, indem es sie aus ihrem Schlafe zieht für ihre Besitzer.'
Kleopatra antwortet ihnen: ‚Indem die Wasser eindringen, erwecken sie die Körper und die Geister, die gefangen und ohnmächtig sind. ... Allmählich entwickeln sie sich, steigen auf, bekleiden sich mit bunten Farben (diese bunten Farben entsprechen der «cauda pavonis» der Lateiner), herrlich wie die Blumen im Frühling. Der Frühling aber ist freudig und freut sich ihrer blühenden Reife, die sie an sich haben'» (ibid. S. 174).

Das Wasser hat m.E. mit der Kontinuität des Bewusstseins zu tun, denn durch diese werden die Geister erweckt, so dass sie sich entfalten können. Auf diese Weise beginnt das opus alchymicum.

Die Vielfalt der Farben ist eine «Anspielung auf die "multi colores"der sogenannten cauda pavonis, des Pfauenschwanzes, dessen Phänomen wie eine Morgenröte der Erreichung des Zieles vorausgeht» (ibid. S. 11 Anm. 105).

Das Farbenspiel des Pfaus deutet darauf hin, dass das Ich bei einer Bewusstwerdung durch viele Verwandlungen hindurchzugehen hat und mit den verschiedenartigsten Stimmungen konfrontiert wird. Die Dinge erscheinen bald in diesem, bald in jenem Licht. Diese Wandlungen künden von der kommenden Geburt zur Ganzheit. (Hierzu vgl. C.G. Jung, Mysterium Coniunctionis: Untersuchung über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in der Alchemie, Bd. 2 (Zürich: Rascher, 1956 S. 61.)

Im Verlaufe dieses Wandlungsprozesses zerfällt das alte Ego in seine Bestandteile und wird - wie der alte König in der Arisleusvision - «in Atome aufgelöst» (ibid. S. 63). Diese Auflösung bedeutet seinen Tod, denn in der Vielfalt der Erscheinungen relativieren sich die bislang als feststehend erachteten Teile, welche die Identität bestimmten.

«In diesem Augenblick tritt nun etwas wie ein Wunder ein, indem die stoffliche Lösung die Erdenschwere verliert, wodurch das Lösungsmittel und das Gelöste zugleich in einen höhern Zustand übergehen und zwar in denjenigen, der auf die cauda pavonis folgt, nämlich die albedo (Weissung). Diese ist das erste Stadium der Vollendung und wird mit Luna identifiziert. Luna ist an sich ein spiritus, der sich alsbald zu dem Gatten Sol gesellt, wodurch das zweite und meist definitive Stadium, nämlich die rubedo (Rötung), eintritt. Damit ist das Werk vollendet, d. h. der Stein, welcher corpus (Körper), anima (Seele) und spiritus (Geist) besitzt, also ein lebendes Wesen, aber mit unverweslichem Körper darstellt, hat Gestalt angenommen» (ibid.).

Damit ist die Verwandlung der physischen Körperlichkeit in einen subtilen Körper (Hauchkörper, Astralleib, Diamantkörper usw.) angedeutet, bei welchem Prozess sich sowohl die Erdenschwere als auch die verwirrende Buntheit der Erscheinungen in einem ersten Schritt in die "Weissung" (albedo) transformiert. Es kommt anschliessend zu einer Verbindung mit dem Mondhaften (luna) und schliesslich auch zu einer Integration des Solaren (sol). Dies führt zur Vollendung des Werkes und damit zu einem lebendigen und bewussten Wesen, dessen Körperlichkeit nicht mehr ausschliesslich durch das Materielle bestimmt wird und dessen Bewusstheit während des ganzen Tages über 24 Stunden erhalten bleibt.

Wenn die Farben "aufkeimen" und sich zu entfalten beginnen, dämmert ein neuer Morgen - nach der Dunkelheit, der Nigredo - , und der Blick wird frei auf eine bunte, neue Welt voller schöpferischer Möglichkeiten. Dieser Vorgang entspricht dem Keimen eines Samens.

«Das Bild des Samenkorns scheint auf antik-gnostische Ideenzusammenhänge zurück zu gehen. So wird im System des BASILEIDES die dreifache Sohnschaft Gottes einem solchen Samenkorn verglichen: "Er (Gott) schuf aber nicht den Kosmos, wie er später in seiner Ausdehnung und Einteilung wurde und weiter besteht, sondern vielmehr einen Samen des Kosmos. Der Weltsame aber enthielt alles in sich, so wie das Senfkorn im kleinsten Raume alles umfassend zugleich enthält: die Wurzeln, den Stamm, die Zweige, die unzähligen Blätter, Samen zu Körnern, die von der Pflanze erzeugt werden, und dadurch die Fülle immer wieder anderer Samen und anderer Pflanzen. So schuf der nichtseiende Gott einen noch nicht seienden Kosmos, indem er einen einzigen Samen niederfallen liess und hinstellte, der in sich die ganze Samenallheit des Kosmos enthält. Ich will aber noch deutlicher machen, was sie meinen: Wie das Ei eines recht bunten und vielfarbigen Vogels, etwa des Pfaus oder eines anderen noch vielgestaltigeren und vielfarbigeren, obgleich es nur eins ist, doch in sich viele Arten vielgestaltiger, vielfarbiger und vielfach zusammengesetzter Wesen enthält, so umschliesst der von dem nichtseienden Gotte herabgefallene nichtseiende Same die Samenallheit des Kosmos, vielgestaltig und von vielfacher Wesenheit zugleich." In dieser gestaltlosen Schöpfung ruht wie ein Keim die dritte Sohnschaft, die dem alchemistischen "filius macrocosmi" entspricht» (C.G. Jung, Mysterium Coniunctionis, Bd. 3 - Aurora Consurgens von M.L. von Franz (Zürich: Rascher, 1957 S. 401).

Die Vielzahl der Farben leitet zum Lapis bzw. der Ganzheit über, «nämlich zum Diamanten, in dessen Farbenspiel alle Farben des Regenbogens enthalten sind» (C.G. Jung, «Psychologie und Alchemie», GW 12 (Olten: Walter, (2.Aufl.1952) 1972 S. 220). Dieser Lapis entspricht dem Stein des Grals, der nach der Sage von Osten kommt und wieder dorthin zurückkehren muss (vgl. ibid.).

Es wundert nicht, dass der Pfau als ein naher Verwandter des Phönix ein altchristliches Symbol des Erlösers ist (vgl. ibid. S. 479). «Es sind die Farben des Pfauenauges, welche als cauda pavonis in der Alchemie eine grosse Rolle spielen. Diese Farbenerscheinung stellt im opus ein dem definitiven Resultat vorausgehendes Zwischenstadium dar. JACOB BÖHME sagt: "... eine Liebe-Begierde, oder eine Schönheit der Farben." In der Liebe-Begierde "urständen alle Farben"» (C.G. Jung, «Zur Empirie des Individuationsprozesses» (1950) in: Die Archetypen und das kollektive Unbewusste, GW 9/1 (Olten: Walter 1976 S. 349).

Bemerkenswert ist auch, dass die cauda pavonis von HENRICUS KHUNRATH mit der Iris, der «nuncia Dei» identifiziert wird. GERARDU5 DORNEUS erklärt folgendermassen: «Dies ist der Vogel, der bei Nacht ohne Flügel fliegt, den der erste Tau des Himmels durch beständiges Kochen hinauf und hinunter in Aufstieg und Abstieg in das Rabenhaupt verwandelt, und dann in den Pfauenschwanz, und darauf erlangt er Schwanenflügel und schliesslich äusserste Röte, ein Zeichen seiner feurigen Natur» (ibid. S. 349 Anm. 131).

Und bei BASILEIDES «ist das Pfauenei synonym mit dem sperma mundi, ... Es enthält in sich ... die Fülle der Farben, nämlich 365. Aus Pfaueneiern soll die Goldfarbe hergestellt werden, wie die Kyraniden berichten (...). Das Licht Muhammeds hat die Gestalt eines Pfauen, und aus dem Schweisse des letzteren wurden die Engel geschaffen» (ibid.).

«In Anbetracht der bedeutenden Rolle, welche der Pfau in der Alchemie und zusammen mit dem Pfauenei auch schon im Gnostizismus spielt, darf man auch das Wunder der ‚cauda pavonis', nämlich das Erscheinen ‚aller Farben', die Entfaltung und Bewusstwerdung des Ganzen erwarten, wenn einmal die finstere Trennungsmauer gefallen ist» (ibid. S. 397).

Die Entfaltung der Einheit ist derart faszinierend, dass in der Mannigfaltigkeit das Beziehungsgefüge leicht einmal verloren geht. Die Vielfalt verselbständigt sich und wird zum Selbstzweck. In der Ansammlung von Gegenständen z.B. in einem Museum verkörpert sich geradezu das Gegenteil der natürlichen Vielfalt, die sich in einer (kosmischen) Einheit verbunden weiss. Dieser ‚museale' Beziehungsbruch kann sogar die Sexualität betreffen, weshalb es in diesem Falle gerade in luziden Träumen statt zu einer erotischen Liebesbeziehung bloss zu sexuellen Ausschweifungen kommt. Darin drückt sich die eher "negative" Form der "cauda pavonis" als belangslose Zerstreuung aus, denn das natürliche Umfeld wird behandelt, als ob es aus verschiedenen, getrennten Teilen bestünde.

Die Tendenz des Ich, sich als ein isoliertes Ego zu betrachten, beruht auf der Illusion der messenden und kategorisierenden Mentalität - und ist gekoppelt mit dem NICHTWISSEN bzw. dem fehlendes Wissen um den Zusammenhang. (Hierzu vgl. Fritjof Capra, «Der kosmische Reigen - Physik und östliche Mystik, ein zeitgemässes Weltbild» (Weilheim: O.W. Barth, (1975) 1977:20,22.) Logisch scheint deshalb, dass «die Krise der Einheit in vielen Fällen einem UNGENÜGENDEN PLURALISMUS zuzuschreiben ist» (Pedro Arrupe (Generaloberer der Jesuiten in: Orientierung 1982 Nr.20 S.217).

Wenn das Ich beginnt, die Teile zu integrieren, wird es sozusagen mit der Vielheit schwanger, denn es lässt "in sich" nach und nach eine neue Einheit heranwachchsen. Diese gilt es sorgfältig zu nähren, was in den alchemistischen Schriften z.B. folgendermassen ausgedrückt wird: «Sie ass (...) nun Pfauenfleisch und trank das Blut des grünen Löwen, das ihr Mercarius mit dem Geschoss der Leidenschaft (telum passionis) in einem goldenen Babylonischen Becher verabreichte» (C.G. Jung, Mysterium Coniunctionis: Untersuchung über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in der Alchemie, Bd. 2 (Zürich: Rascher, 1956 S. 31). Die (innere) Entwicklung ist relativ heikel, denn die Teile drohen leicht auseinanderzufallen und müssen deshalb sorgfältig und mit den geeigneten Mitteln miteinander verbunden werden. Die Schwangerschaft in der Seele des einzelnen Menschen entspricht zudem einem Heilungsprozess, in dessen Verlauf der Mensch zu seiner Wesenhaftigkeit zurückkehrt.

Die in den Texten der Alchemie «geschilderte Schwangerschaftsdiät entspricht der sog. cibatio, der "Ernährung" der Wandlungssubstanz. Der ... zugrundeliegende Gedanke war, dass der zu wandelnde Stoff imprägniert und durchdrungen werden musste, sei es durch die Tinktur oder durch die aqua propria, die anima, sei es durch das Essen der "Federn" oder Flügel (der spiritus volatiles) oder des eigenen Schwanzes (Ouroboros) oder der Früchte des philosophischen Baumes. Hier ist es das "Pfauenfleisch". Der Pfau erscheint im Begriff der cauda pavonis (Pfauenschwanz).

Vor der Herstellung des "Weissen" (albedo) oder des "Roten" (rubedo) treten "alle Farben" auf, etwa so wie wenn der Pfau sein schillerndes Rad schlägt. Dieses Phänomen beruht wohl darauf, dass die Oberfläche eines Schmelzflusses (z.B. geschmolzenes Blei) häufig die Spektralfarben "dünner Plättchen" zeigt. Das "omnes colores" wird in den Texten oft betont, womit etwas wie eine Totalität angedeutet wird. Alle Farben vereinigen sich dann z.B. in die weisse, womit für viele (Alchemisten) das Werk seinen Gipfel erreicht. Auf alle Fälle ist die prima pars operis damit vollendet, indem das getrennte Vielerlei, welches auf den Wirrwarr des Chaos zurückweist, zu der Einheit der Weissung gebracht worden und "ex omnibus unum" entstanden ist.

Moralisch bedeutet dies gleichzeitig, dass das psychische Vielerlei des ursprünglichen Uneinsseins mit sich selber, das innere Chaos kollidierender Seelenteile, die Tierherden des ORIGENES, zum vir unus geworden sind. Das Essen des Pfauenfleisches ist also eine auxiliäre Massnahme, die soviel besagen will, als dass die vielen Farben (welche psychologisch ebensoviele verschiedene und gegensätzliche Gefühlswerte bedeuten) zu der einen weissen integriert werden. ... Der Lapis enthält oder produziert alle Farben. ...

Es werden auch poetische Vergleiche gebraucht, wie z.B. Iris, der Regenbogen, oder zugleich mit diesem, die Iris im Auge. Das Auge und dessen Farben werden von HIPPOLYTUS in einem bedeutsamen Zusammenhange erwähnt. Bei der Darstellung der naassenischen Lehre erinnert er an deren Analogisierung der vier Paradiesesströme mit den Sinnen. Der Fluss Phison, der das Goldland Hevilat bewässert, entspricht dem Auge: "Dieser, sagen sie, ist das Auge, das durch die Würde und die Farben Zeugnis für das Gesagte ablegt." ABU'L QASIM spricht vom Baum mit den vielfarbigen Blüten. MYLIUS sagt: "So ist unser Stein jener sternenbesäte Sol, aus dem jede Farbe durch die Verwandlung hervorgeht, wie die sprossenden Blumen des Frühlings", und der Tractatus Aristotelis schildert noch ausführlicher: "Alles, das unter dem Kreise des Mondes enthalten ist, ... wird im viereckigen Ende in das Eine verwandelt, gleich wie eine blütenübersäte Wiese, geschmückt mit Farben, Blumen und Wohlgerüchen verschiedener Natur, die in der Erde vom Taue des Himmels empfangen wurden." ... Nach der Ansicht dieses Autors weist also die Goldfarbe auf den Menschen und insbesondere auf dessen Verstand hin, als den hauptsächlichen "informator" (Former) im alchemischen Prozess. Man darf daher annehmen, wie die gelbe Farbe den Intellekt bedeutet, so bezeichnen die drei anderen (Haupt-)Farben andere psychische (Grund-)Funktionen, ebenso wie die sieben Farben die sieben astrologischen (resp. planetarischen) Charakterkomponenten. Die Synthese der vier oder sieben Farben würde demnach nichts weniger bedeuten als die Integration der Persönlichkeit, die Vereinigung der vier Grundfunktionen, die ja habituell durch den Farbenquaternio: blau - rot - gelb - grün dargestellt werden.

Der Iris, dem Regenbogen als farbigem Phänomen, entspricht die cauda pavonis, der Pfauenschwanz, ein beliebtes Objekt bildnerischer Darstellung in den alten Drucken und Handschriften. Dabei handelt es sich allerdings nicht um den Schwanz allein, sondern stets um den ganzen Pfau. Da dieser "omnes colores", d.h. die Integration aller Qualitäten bedeutet, so setzt ihn eine Darstellung in HEINRICH KHUNRATHS Amphitheatrum Sapientiae logischerweise auf die zwei Köpfe des Rebis, deren Einheit er offenbar darstellt. Er ist beschriftet als «Vogel des Hermes» und als «benedicta viriditas» (gesegnete Grüne), was beides auf den Heiligen Geist hinweist, resp. auf die Ruach Elohim, die bei KHUNRATH eine grösste Rolle spielt. Grün ist die Farbe des Heiligen Geistes. Weitere Beschriftungen der cauda pavonis dieses Bildes sind "anima mundi, natura, essentia quinta, res cunctas germinare facit". Hier steht der Pfau an oberster Stelle als ein Symbol des Heiligen Geistes, in welchem der vom Hermaphroditus und Rebis dargestellte oberste Gegensatz von männlich-weiblich integriert ist.

An anderer Stelle sagt KHUNRATH, dass in der Stunde der coniunctio die Schwärze und das Rabenhaupt und alle Farben der Welt erscheinen werden, "auch die Iris, die Botin Gottes und der Pfauenschwanz". Dem fügt er bei: «Bemerke die Geheimnisse des Regenbogens im alten und im neuen Testament", womit er einerseits auf das Zeichen der Versöhnung nach der Sintflut, andererseits auf Apok. IV, 3, hinweist, nämlich auf die Vision des Einen inmitten der 24 Altesten - "seinem Aussehen nach gleich einem Jaspis und Karneolstein, und ein Regenbogen war rings um den Thron, seinem Aussehen nach gleich einem Smaragd" - und des Engels mit dem Regenbogen auf seinem Haupt (Apok.X, l). Die Iris als "nuncia Die" ist für das Verständnis des opus natürlich von besonderer Bedeutung, indem die Integration "aller Farben" sozusagen auf ein Kommen oder eine Nähe oder sogar auf die Präsenz Gottes hinweist.

Die grüne Farbe, die hervorgehoben wird, hat mit Venus zu tun. So sagt der Introitius Apertus: "Bei gelinder Wärme wird die Mischung von sich aus sich verflüssigen und anschwellen und wird auf das Geheiss Gottes (iubente Deo) mit Geist begabt werden, welcher nach oben fliegen und den Stein mit sich bringen wird, auch wird er neue Farben erzeugen, vor allem das Venusische Grün (viridem venereum), das während längerer Zeit anhalten wird." Gegen Ende dieser Prozedur, nämlich des regimen Veneris (was immer darunter verstanden sein mag! (wz wahrscheinlich ist damit die Dominanz der Sexualität gemeint, die dank der Bewusstseinskontinuität in einem luziden Traum bzw, einer OOBE vordergründig werden kann)), verändert sich die Farbe in ein blasses, dunkles Purpur. In dieser Zeit blüht der philosophische Baum. Dann folgt das "regimen Martis", das die vorübergehenden Farben des Regenbogens und des Pfaues aufs Glorreichste zeigt». In "diesen Tagen" erscheint der "hyacinthinus color", also die blaue Farbe. Die zu Ende des Venusischen Verfahrens erscheinende livide Purpurfarbe hat unverkennbar etwas Totes an sich, was sehr gut zu der kirchlichen Auffassung dieser Farbe passt; drückt sie doch das "mysterium dominicae passionis" aus. Das "Verfahren der Venus" führt damit andeutungsweise zur passio (Leiden) und zum Tode ...

Die Farben als Ausdrucksmittel moralischer Tatsachen und Umstände werden bestätigt durch eine Stelle des Aquarium Sapientum, wo es heisst: "Während der Mazeration (digestio (wz Verdauung)) und Kochung des toten geistigen Körpers werden sich nun aber im Menschen gleichermassen, wie im irdischen opus (in terreno opere) zu sehen ist, viele und verschiedenartige Farben und Zeichen zeigen, d.h. aller Art Elend, Angst und Heimsuchungen (tribulationes), deren vornehmste jene ... Versuchung ist, welche vom Teufel, der Welt und von unserm Fleische ausgeht und verursacht wird." (wz Sexualität)

Mit diesen Ausführungen über das regimen Veneris stimmt die Symboltabelle des PENOTUS insofern überein, als der Pfau dort dem "mysterium coniugii" und der Venus zugeordnet ist, wie auch die grune Eidechse (lacerta viridis). Grün ist die Farbe des Heiligen Geistes, des Lebens, der Zeugung und der Auferstehung, was ich darum erwähne, weil PENOTUS dem coniugium die "dii mortui" (die toten Götter) zuteilt, vermutlich weil sie der Auferstehung bedürfen. Der Pfau ist nämlich das alte christliche Symbol der Auferstehung, zusammen mit dem Phönix. Auf erzenen Tafeln, im Labyrinth von Meroe, sei dargestellt gewesen, wie der von Isis wieder hergestellte Osiris einen von Pfauen gezogenen Wagen besteigt, worin er heliosgleich, in Auferstehung triumphierend, einherfährt.

Das "spirituale corpus mortuum" ist bei DORNEUS die "avis sine alis" (Vogel ohne Flügel), die sich "in das Rabenhaupt (caput corvi) wan- delt und schliesslich in den Pfauenschwanz, um darauf das weisseste Schwanengefieder und zu allerletzt die höchste Röte zu erreichen, das Anzeichen ihrer feurigen Natur". Letzterer Satz enthält eine deutliche Anspielung auf den Phönix, der als Erneuerungs- und Auferstehungssymbol mit dem Pfau in der Alchemie eine beträchtliche Rolle spielt und zwar hauptsächlich als Synonym des Lapis.

Die Iris sowohl wie die cauda pavonis kündigen das Ende des opus an, wie der Regenbogen die nuncia Dei ist. Das köstliche Farbenspiel des Pfauenrades schildert die kommende Synthese aller Farben, d.h. aller Eigenschaften und aller Elemente in dem einen "runden" Wesen des philosophischen Steines, der, wie ich in Psychologie und Alchemie dargestellt habe, in den 1700 Jahren historischer Alchemie stets in mehr oder weniger deutlichem Zusammenhang mit der uralten Idee des Anthropos stand. Diese Beziehung dehnte sich in den späteren Jahrhunderten auch auf Christus aus, der sozusagen von jeher eben jener Anthropos ... ist, der im Johannesevangelium als vorweltlicher, kosmogonischer Logos erscheint, und von dem es Joh. I, 2 f. heisst:

"Dieser (Logos) war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch ihn geworden, und ohne ihn ist auch nicht eines geworden, das geworden ist." Nach der von HIPPOLYTUS berichteten Lehre der Basilidaner soll der "nichtseiende Gott" einen "Samen ausgesäet" haben, der wie ein "Senfkorn" die ganze Pflanze enthielt, oder wie das Pfauenei, das in sich selber die "bunte Fülle der Farben hat". In diesem Samen befand sich eine "dreiteilige Sohnschaft" (...), welche mit "dem nichtseienden Gott wesensgleich" (...) war. In der Alchemie bedeutet das Erscheinen der cauda pavonis die baldige Vollendung des Werkes, resp. die Geburt des filius regius. In der basilidanischen Lehre stand also das Farbenspiel des Pfauenschwanzes bereits an der richtigen Stelle. Man müsste auch an dieser, wie an verschiedenen anderen Stellen die Frage erheben: Tradition? oder generatio aequivoca?

Der Pfau gehört als Attribut zu Juno, und ein Beiname der Iris ist Junonia. Wie die Königinmutter oder Göttermutter Erneuerung gibt, so erneuert der Pfau auch alljährlich sein Gefieder und hat darum eine Beziehung zu allen Wandlungen in der Natur. Darüber sagt DE GUBERNATIS folgendes: "Der heitere und sternenbesäte Himmel und die glänzende Sonne sind Pfauen. Das ruhige, azurblaue Firmament, das mit tausend glänzenden Augen leuchtet, und die Sonne, welche in allen Farben schillert, erscheinen wie ein Pfau in dem ganzen Glanze seiner mit Augen gesprenkelten Federn. Wenn der Himmel oder die tausendstrahlige Sonne (sahasrancu) in den Wolken verborgen oder von den herbstlichen Wassern verhüllt ist, so gleicht sie wiederum dem Pfau, welcher in dem dunklen Teile des Jahres, wie noch eine grosse Anzahl anderer in lebhaftem Farbenschmuck prangender Vögel, sein schönes Gefieder ablegt und dunkel und schmucklos wird; die Krähe, welche sich Pfauenfedern angelegt hat, kräht wieder mit den anderen Krähen im traurigen Concert. Im Winter hat der Krähen-Pfau nichts, was ihm geblieben ist, als das unangenehme und schrille Geschrei, das dem der Krähen nicht unähnlich ist. Gewöhnlich heisst es von dem Pfau, er habe Engelfedern, eine Teufelsstimme und einen Diebsgang. Der Krähen-Pfau ist sprichwörtlich." Daraus dürfte sich auch die von DORNEUS erwähnte Beziehung des Pfaues zum caput corvi erklären.

Erwähnenswert sind gewisse Nebenbedeutungen des Pfaues, wie solche in der mittelalterlichen Literatur vorkommen. So sagt PICINELLUS, dass der Pfau, der Sonne gegenübergestellt, den "gerechten Menschen" bedeute, "welcher, obschon mit den Farben von tausend Tugenden geschmückt, dennoch am grössern Glanz von der göttlichen Gegenwart her" teilhabe; ebenso stelle er den Menschen dar, der "von wiederholten Sünden befleckt, wiederum zur inneren Reinheit des Geistes (ad animi integritatem) aufersteht". Der Pfau drückt die "innere Schönheit (venustas) und Vollkommenheit der Seele" aus, MERULA erwähnt, dass der Pfau ein Gefäss mit vergiftetem Inhalt ausleere und zerstöre, welche Eigentümlichkeit vielleicht mit die Stellung des Pfaues in der Alchemie begründet, indem er die Wandlung des giftigen Drachen in die heilbringende Medizin vermittelt und darstellt. Derselbe MERULA behauptet auch, dass das Pfauenweibchen seine Jungen erst, wenn sie erwachsen sind, dem Vater vorstelle, woraus PICINELLUS eine Analogie mit der Beata Virgo macht, welche ihre Schützlinge ebenfalls erst im vollendeten Zustande Gott präsentiere. Damit wird das Motiv der Erneuerung durch die Mutter wieder angetönt. Wenn daher die Königinmutter während ihrer Schwangerschaft Pfauenfleisch isst, so absorbiert sie damit einen Aspekt ihrer selbst, nämlich ihre Fähigkeit, Wiedergeburt zu geben, wofür eben der Pfau Emblem ist. Übrigens hat, nach AUGUSTIN, das Pfauenfleisch die Eigenart, dass es nicht verfault. Es ist also, wie der Alchemist sagen würde, ein "cibus immortalis", wie die Früchte der arbor philosophica, mit denen Arisleus und seine Gefährten im Hause der Wiedergeburt auf dem Grunde des Meeres ernährt werden. Das Pfauenfleisch bedeutet der Mutter die richtige Nahrung bei ihrem Versuche, den alten König nicht nur zu verjüngen, sondern ihm zugleich die Unsterblichkeit zu geben.

Während das Pfauenfleisch die feste Nahrung der Königin bildet, dient als Trank das Blut des grünen Löwen. Blut (sanguis) ist eines der bekanntesten Synonyme der aqua permanens (wz hat mit der Bewusstseinskontinuität zu tun) und lehnt sich vielfach an die kirchliche Blutsymbolik und -allegorik an. Die imbibitio (Durchtränkung) der "toten" Arkansubstanz, welcher wir in der Allegoria Merlini begegnet sind, spielt sich hier, wie die cibatio oder nutritio (Ernährung) nicht am König, sondern an der Königinmutter ab» (vgl. ibid. 31-40).

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