Die Spur der Quader 6
Lehm als 'prima materia'
Werner Zurfluh
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Die Spur der Quader Teil 5

BK Bewußtseinskontinuität NDE near-death-experience (mit BK)
ND normal dream (ohne BK) AKE außerkörperliche Erfahrung (= OOBE)
PD prelucid dream (beinahe BK) KA-BK Körperablösung bei BK (= OOBE)
LD lucid dream (Klartraum - mit BK) SA Struktur A (= Alltag)
OOBE out-of-body-experience (mit BK) SB, SC ... Struktur B, C ... (Ebenen der Anderwelt)


Lehm als 'prima materia'

Ganz gewöhnliche Erde
Lehm scheint etwas Gewöhnliches zu sein, aber dem ist nicht unbedingt so - und das zeigt sich nicht nur in der Traumerfahrung vom 26. Februar 1972, sondern z.B. auch in einer persischen Sufi-Erzählung: "Als Sein Atem einen Klumpen Lehm berührte, entstand der Mensch (S.12). Er nahm Lehm und knetete ihn mit Wasser, und nach vierzig Morgen hauchte Er den Geist ein, der den Körper belebte (S.13). Als sich die Seele mit dem Körper vereinigte, wurde sie ein Teil des Ganzen: Nie hat es einen so wunderbaren Talisman gegeben. Die Seele hatte Anteil am Erhabenen, der Körper am irdischen Niederen; so entstand eine Verbindung aus schwerem Lehm und reinem Geist. Diese Mischung machte den Menschen zum erstaunlichsten aller Geheimnisse (S.15-16)." (Farid ud-din Attar "Vogelgespräche - Die berühmte persische Sufi-Erzählung über die Pilgerfahrt nach Innen" (Interlaken: Ansata, 1988).)

... Ich wandere bei sommerlicher Hitze zusammen mit meiner Frau durch eine mir unbekannte bewaldete Gegend, die entfernte landschaftliche Ähnlichkeiten mit dem Voralpengebiet zwischen Sempacher- und Vierwaldstättersee hat.

Plötzlich explodiert etwas in der Ferne - wahrscheinlich ein Öltanklastwagen -, und ein unvorstellbar großer Flächenbrand entsteht, der sich rasend schnell nach allen Richtungen hin ausbreitet. Allem Anschein nach kann er selbst bei Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel nicht unter Kontrolle gebracht werden. Eine Umweltkatastrophe ganz gewaltigen Ausmaßes fegt über das Land hinweg!

Was tun? Das Feuer nähert sich unaufhaltsam. Ein Hinüberwechseln in den im Bett liegenden Körper kommt für mich nicht in Frage, und mittels magischer Operationen ist hier nichts auszurichten. So "lausche" ich ruhig und still in mich hinein, um die innere Stimme zu vernehmen. Das braucht zwar einige Überwindung, aber schon nach kurzer Zeit höre ich so etwas wie eine Anweisung.

Ohne nachzufragen befolge ich den Rat, gehe mit meiner Frau zur zugewiesenen Stelle und beginne ein Loch auszuheben. Zu Beginn ist mir völlig unverständlich, weshalb gerade hier gegraben werden muß. Doch je tiefer ich buddle, desto mehr verstehe ich die Anordnung, denn ich stoße bald auf weichen gelben Lehm und gehe sogleich daran, eine kleine Höhle vorzutreiben, damit wir uns darin verkriechen können, wenn die Feuerwand herankommt.

Wie ich jedoch sehe, daß die Leute in der Nähe ihr Hab und Gut zusammenraffen und fliehen, will ich es ihnen nachtun, verlasse die Grabungsstätte und denke, wir könnten es mit Leichtigkeit bis zu unserem neuen gelben VW schaffen, bevor das Feuer uns erreicht.

Dann erwache ich so halb im Bett und überlege mir sogleich, daß es doch klüger wäre, das Loch weiter auszuschaufeln, denn bei einem unverhofft aufkommenden Wind hätten wir absolut keine Chance.

Das Erdöl ist eine flüssige "prima materia", ein 'öliges Wasser' ('aqua unctuosa'), d.h. eine Substanz und Lebenskraft aus den Tiefen des "kollektiven Unbewußten". Dessen Energien bleiben so lange latent, bis ein auslösender Faktor wie ein zündender Funke wirkt und einen langsamen Verbrennungsprozeß auslöst. Dieser "Brennstoff" ist allgemein zugänglich, aber der Umgang mit ihm ist oft unsorgfältig, und es kommt selten genug zu einer bewußten Auseinandersetzung. Unachtsamkeit läßt das "Gefäß mit diesen Lebensenergien" früher oder später zerschellen. Dies ist gleichbedeutend mit einer Sinn-Entleerung und führt schließlich zu einer explosionsartigen Entzündung der sich in Luft auflösenden vitalen Kräfte.

In der Folge entsteht eine vernichtende Feuersbrunst, bei der die Gefühle und Emotionen mächtig auflodern und eine immense Hitze erzeugen, die das Innere des Menschen total ausglüht. Schließlich wird der Wesenskern ausgebrannt (burning out). Nun ist der Mensch nur noch eine leere Hülle und geht leer und unerfüllt durchs Leben. Dies ist durchaus eine kollektive Katastrophe, die sich wie ein Flächenbrand ausbreiten kann.

Es ist die inneren Stimme eines jeden einzelnen Menschen, welche die Rettung aus dieser Situation - oder besser gesagt das Überleben dieser Katastrophe - gewährleistet. Wer auf sie hört und ihren Rat befolgt, hat eine reelle Chance. Bei mir war es so, daß ich mich 1972 zu sehr von kollektiven Meinungen ablenken ließ und letzten Endes eher dem Universitätsstudium und der Ausbildung zum Psychotherapeuten vertraute, statt weiter in die Tiefe zu graben und mich mit der "prima materia" in Form des "gelben Lehms" auseinanderzusetzen.

Ich wußte damals nicht, daß äußerliche Stützen aufzugeben sind, wenn die Eigentlichkeit zum Vorschein kommen soll. Die Vorstellungen und Anschauungen der Welt mußten - auch wenn sie Sicherheit zu geben versprachen - zerstört werden, damit sich der Wesenskern ungehindert zu entfalten vermochte. Hätte mir damals jemand gesagt, dies alles habe mit der BK und der Außerkörperlichkeit zu tun, ich hätte es weder intellektuell noch gefühlsmäßig verstehen können, sondern einfach nur als kryptisch und verworren beiseite geschoben.


Das Herz im Straßenstaub
Am 17. Februar 1977 wurde der Lehm mit dem Herzen in Verbindung gebracht.

...Die städtische Gegend, in der ich mich im Bewußtsein meines Zustandes befinde, ist verglichen zur Alltagsebene sehr stark verfremdet und macht zudem einen mittelalterlichen Eindruck. Die Stimmung und das Aussehen dieses Stadtteils erinnern mich an frühere Träume, die hier stattgefunden haben. Ich ziehe daraus die Schlußfolgerung, daß dieser SB-Bereich auf eine ganz besondere Art stabil bleibt und eine zur SA-Ebene parallele Existenz besitzt.

In einem schmalen Gäßchen in der Nähe des Münsters ist eine höchst gediegene kleine Gourmet-Beiz, die ich zielstrebig aufsuche. Der laue Sommerabend erlaubt es uns, draußen einen Tisch zu nehmen. ... Der Kellner bringt die Speisekarte. Ich freue mich, ein wirklich köstliches - allerdings auch sehr teures - Menü aussuchen zu können und vertiefe mich in die Karte.

Plötzlich steht die Wirtin wieder neben mir und begrüßt mich freundlich mit "Guten Abend Herr Zurfluh!"

Ich bin mehr als erstaunt: "Woher in aller Welt mag die Frau meinen Namen kennen?"

"Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie nicht das Herz wegnehmen könnten, das Sie im Winter beim Vorbeifahren mit dem orangefarbenen VW überrollt und in die lehmige Straße eingedrückt haben?"

"Verblüffend! Hat sich die Frau etwa die Autonummer gemerkt?" Ich überlege und finde keine Lösung.

Und die Wirtin fährt fort: "Seither sind ständig Dromedare darüber gelaufen! Auch die kleinen Kinder schlecken immer wieder am Herz. Und sie berühren es, so daß es nun ganz ausgefranst ist. - Jetzt wird es wärmer und das Herz könnte faulen!"

Ich wundere mich sehr über das, was die Frau eben sagte, denn das alles ist mir völlig unerklärlich. Vor lauter Verblüffung erwache ich im Bett.

Eines läßt sich jedenfalls sagen: Lehm und Herz gehören irgendwie zusammen. Ebenso Wüstenstaub und Dromedare, Kontakt und Kinder, Wärme und Fäulnisprozeß. Aber was bedeutet das alles? 1977 hatte ich noch keine Ahnung, die Puzzleteile lagen noch etwas weit auseinander. Meine Aufgabe war es, das Herz aus dem Lehm der Straße zu bergen, damit es dort nicht verstaubte oder sogar verfaulte. Ich hatte es offenbar aus Unachtsamkeit verloren und mußte nun daran gehen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen und den Zusammenhang mit dem Lehm zu begreifen. Heute ist mir schon klar, worum es damals ging, doch rückblickend ist es wohl immer leichter, den Dingen auf die Spur zu kommen.


Eine Apokalypse
Lehm kann bei Erdrutschen auch gefährlich werden. Das Erlebnis, von dem ich nun erzähle, geschah am 4. Juli 1980, beginnt harmlos und sehr persönlich als normaler Traum im Elternhaus, bringt Familiäres zu Sprache und leitet beinahe unmerklich über in den Bereich des Gesellschaftlichen. Den ersten Teil lasse ich weg und beginne an der Stelle, wo das Geschehen ins Kollektive mündet:

... Nach geraumer Zeit gerate ich in einen großen, ausschließlich unterirdisch angelegten Bunker, in dem mehrere hundert Soldaten einquartiert sind. Er ist einer riesigen Zivilschutzanlage ähnlich. Hier ist Feuer ausgebrochen, weshalb die Männer aus den tieferen Etagen hinaufsteigen. Bald einmal sind alle ins oberste Stockwerk des Bunkers geflüchtet, die meisten mehr oder weniger verletzt. Ich selber bin einer der wenigen, die keinerlei Verletzungen davongetragen haben und bin - wie übrigens die meisten anderen auch - aus eigener Kraft den Fluchtschacht hinaufgeklettert. Das ist unglaublich schwierig und mühsam gewesen, denn die vielen Soldaten hatten die Röhre beinahe total blockiert. Die ausgebrochene Panik machte die Flucht nach oben zu einem äußerst riskanten Unternehmen. Jederzeit hätte mir jemand mit seinen schweren Schuhen auf die Hände oder den Kopf treten können.

Nun liege ich inmitten von Verletzten und total Erschöpften. Sie werden von Sanitätern betreut. Trotz des großen Gedränges ist die Stimmung der Geretteten gut, denn alle sind froh, wenigstens dem grausamen Feuertode entronnen zu sein.

Ich trage Uniform und bin Soldat - und bin sehr beunruhigt, denn irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Die Ursache für die Feuersbrunst muß sehr ungewöhnlich sein, gräßlicher und furchtbarer als irgendjemand hier anzunehmen gewillt ist. Dennoch tun alle so, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen.
"Dieses Feuer dürfte erst der Anfang einer noch viel größeren Katastrophe sein!" denke ich. "Sehr bald wird etwas sehr Schlimmes geschehen, etwas, das die Freude über die Rettung total vergällen wird."

Die Ahnungen sind direkt überwältigend, weshalb ich mich sofort melde, als Freiwillige für eine Erdrutsch-Wache draußen unter freiem Himmel gesucht werden, weil vermutet wird, die Erde könnte wegen der starken Regenfälle ins Rutschen kommen. Sicherheitshalber sollen Beobachtungsposten aufgestellt werden, die eventuelle Veränderungen melden. Dabei scheint niemand daran zu denken, daß ein Erdrutsch unter Umständen derart schnell und mit solcher Gewalt losbrechen kann, daß Gegenmaßnahmen eine Katastrophe nicht mehr abzuwenden vermögen.

Wie ich beim Aufruf für Freiwillige als erster den Arm hochhebe, sieht mich der Korporal oder Offizier sofort und ruft - klar und deutlich meinen Namen nennend:
"Zurfluh!"
Anschließend betont er, meine Meldung eigentlich erwartet zu haben, obwohl ich ein Sanitäter sei, der keine Waffe trage. Offensichtlich bin ich - in seinen Augen - dennoch ein guter Soldat, der, auch was technische Probleme betrifft, einigermaßen Bescheid weiß.

Von allem Anfang an - so lautet mein Vorschlag - soll ein Telefon mitgenommen werden, zumal ich durchaus in der Lage sei, es selbst zu installieren. Es ließen sich auf diese Weise Erdveränderungen umgehend übermitteln, denn ein Meldeläufer würde im Ernstfall zu spät kommen! Vor allem aber möchte ich nicht in den Bunker zurückkehren müssen, da ich mir absolut sicher bin, daß die Katastrophe nächstens geschehen wird. Um möglichst schnell wegzukommen, anerbiete ich mich, die schwere Kabelrolle zu tragen, ohne natürlich etwas über die wahren Gründe meines Tuns verlauten zu lassen.

Nach ein paar Minuten sind von den etwa fünf Freiwilligen erst zwei startbereit. Ich dränge darauf, sofort loszuziehen. Dem steht nichts im Wege, denn die anderen Männer müssen an andere Orte hingehen und von dort aus die Erdbewegungen beobachten. Also ziehe ich alleine los, denn der mir zugeteilte zweite Mann kommt nicht. Ich rufe ihm zu, welche Richtung ich einzuschlagen gedenke und sage:
"Nimm es von mir aus gemütlich und folge mir später nach!"
Meinem Kameraden kommt dieser Aufschub offensichtlich gelegen, zumal er nicht sonderlich tragfreudig zu sein scheint. Er hat es also keineswegs eilig und trödelt im Bunker herum, während ich losgehe und das Kabel von der Rolle lasse. Da ich nicht gedenke, im Moment einer tatsächlichen Erdrutschgefahr nochmals in den Bunker zurückzugehen, um die anderen zu warnen, muß ich eben per Telefon meine Beobachtungen mitteilen können.

Kaum bin ich einige Dutzend Meter auf dem schweren, nassen Boden vorwärtsgekommen, wird der Regen heftiger. Ein Weiterkommen ist schier unmöglich. Es ist extrem mühsam, auf der glitschigen Unterlage mit der schweren Last auf dem Rücken einen Halt zu finden, zumal es ziemlich steil und steinig ist. Ich ringe nach Atem und muß schnaufen. Nach und nach gewinne ich etwas Höhe und bin nun - wie ein kurzer Blick zurück zeigt - mehr als 50 Meter über dem Eingang der Bunkeranlagen und gute 200 Meter davon entfernt. Der Regen verstärkt sich weiter und wird sintflutartig! Der Betonklotz verschwindet hinter einer Wand von Wasser. Wahre Sturzbäche fallen vom Himmel. Rinnsale rieseln die Hänge hinunter und vereinigen sich, die Erde aufwühlend und mitreißend, zu braunen Bachläufen.

Unverdrossen steige ich weiter hinan. Meine Ahnungen beginnen sich rapide zu bestätigen. Ein Erdrutsch muß die unweigerliche Folge dieser Wassermassen sein. Der Berghang wird in absehbarer Zeit lebendig werden! Also ist es höchste Zeit, den Beobachterplatz einzurichten. - An einem weniger steilen Ort, von dem aus auch die umliegenden Hänge ziemlich gut zu überblicken sind, beziehe ich meinen Posten.

Einer der benachbarten Hügel scheint in Bewegung zu geraten. Ist es schon soweit? Beginnt dort drüben der Hang zu rutschen? Ich werde Meldung machen, daß der Regen die Erde in Bewegung setzt. Oder ist es dafür noch zu früh? Wird man mir überhaupt glauben, wenn ich berichte, wie flüßig die Erde nunmehr geworden ist? Wird man die Warnung beachten und den Bunker evakuieren? Schließlich besteht die Gefahr, daß die Anlagen zugedeckt werden und im Erdreich versinken - mitsamt all den Soldaten! Aber das zu entscheiden ist nicht mein Problem, denn ich habe keinerlei Befehlsgewalt.

Wie ich die Telefonstation einrichten will, merke ich, daß die Erde unter meinen Füßen ins Rutschen kommt. Links und rechts neben mir gleiten die Hangpartien ab. Von weiter oben wälzt sich ein dickflüßiger Strom herunter - kalten, schmutzigbraunen Lavamassen gleich.

Beim genauerem Hinsehen - mich durchzuckt blankes Entsetzen - ist zu erkennen, daß nicht bloß die Berghänge abgleiten, sondern auch die Talsohle sich langsam vorwärts bewegt. Nichts bietet mehr Halt! Die fließende Masse trägt mich unweigerlich fort. Die Kabelrolle wird mir jäh heruntergerissen, das Kabel verschwindet im Dreck. Gewaltige Erdmassen bewegen sich auf den Bunker zu - dort gibt es kein Entrinnen mehr und jeder Rettungsversuch wäre zum Scheitern verurteilt.

Auch ich bin ins totale Chaos geraten. Es wird mich wie alle anderen erwischen - wenn auch fern vom Bunker. Trotz aller Misere ist es mir so viel angenehmer, denn immerhin bin ich draußen und nicht eingeschlossen und eingekerkert in einer Betonmasse, einem starren Gebilde, das keinen Schutz bietet, wenn die flüßigen Erdmassen es verschlingen und zerdrücken!

Zuerst ist der Erdrutsch ziemlich kompakt, so daß ich mit einiger Geschicklichkeit das Gleichgewicht wahren und mich auf den Beinen halten kann. Ein Hinfallen hätte meinen sofortigen Tod bedeutet. Fassungslos blicke ich auf die tosenden Geschiebe, die sich unaufhaltsam zwischen den Bäumen hindurchzwängen und sie letzten Endes doch entwurzeln und mitreißen. Stämme werden umgeworfen und vom Erdbrei zerrissen und verschlungen. Unaufhaltsam bewegt sich ein gewaltiger Strom vorwärts, wälzt sich von den Hängen, strömt in den Mulden zusammen und ergießt sich in die Wälder der Ebene.

Von einem der ersten abgeknickten Bäume löst sich ein über zwei Meter langes Stück von der Seite. Im letzten Moment - bevor ich in der Erde versinke - gelingt es mir, das borkenbesetzte Holz zu packen und mich darauf zu werfen. Nun sitze ich in einem äußerst primitiven, aber festen Boot, das mich weiterträgt - unaufhaltsam geschoben von der Erdmasse.

Wie ein jämmerliches Häufchen Elend klammere ich mich am "Rindenboot" fest - inmitten eines gewaltigen Stromes aus Erde, der sich tosend und brüllend in ein breites Tal ergießt und Dimensionen annimmt, angesichts derer alle Worte verstummen. Nacktes Entsetzen droht mich zu überwältigen. Um nicht in Panik zu geraten, muß ich den letzten Rest an Mut zusammenraffen, der mir noch bleibt. Was ich hier sehe, habe ich noch niemals erblickt!
"Apocalypse now!" schwirrt es mir durch den Kopf. Gleichzeitig werde ich mir schlagartig bewußt, in einem Traumzustand zu sein! Aber angesichts dieses Geschehens ist mir dies nur ein verschwindend kleiner Trost - eigentlich überhaupt keiner.

Immerhin läßt diese Einsicht andere Gedanken aufsteigen.
"Dies muß eine Vision sein - und ich habe diesem grauenhaften Geschehen beizuwohnen, einem Geschehen, das die Grenzen meiner Individualität bei weitem übersteigt!"
Selbstverständlich habe ich nicht die Absicht, im Bett zu erwachen - wie sollte ich auch! Ich will mich diesem Anblick, diesem Mitgerissenwerden nicht entziehen, will ausharren und schauen. Es steht mir klar vor Augen, bloß dank der Luzidität und damit der erhalten gebliebenen Bewußtheit dazu in der Lage zu sein.
"Sterblich bin ich so oder so! Der Tod hier wäre ebenso relativ wie jeder Tod sonst - selbst der in meinem physisch-materiellen Körper, der nun - makabererweise - friedlich im Bett schlummert."
Das Inferno nimmt kein Ende.
"Vielleicht werde ich tatsächlich hier sterben müssen!"
Aber ich will mich diesem Tod nicht entziehen - bin nun einmal hier - und werde auch hier bleiben. Was ich hier sehe, ist ein totaler Irrwitz! Als wollte die Erde sich an all dem Unbill rächen, das ihr seitens der Menschen widerfahren ist. Sie löst alles auf und zerstört ohne Unterschied sämtliche Strukturen. Unaufhaltsam wälzen sich die braunen Massen grollend vorwärts. Ströme von Erde vermengen sich und bilden urmächtige Fluten, die riesige Felsbrocken aus den Talflanken reißen und ganze Hügel einebnen. Es ist unfaßbar, es ist ein Weltuntergang!

Und immer noch lebe ich - aber wie lange noch? Als winziges Pünktchen schaukelt das Holzstück mitsamt seiner Last weiter. Ich schaue mich um - so gut es geht -, betrachte zutiefst aufgewühlt die zerfließenden Formen, die braunen und gelben Farben, die sich andauernd mischen, die wahnsinnig gewordene Erde. Innerlich zitterte ich angesichts dieser gigantischen Wogen, in denen eigentlich niemand bestehen könnte. Also erwarte ich meinen Tod in jedem Augenblick. Es ist unwesentlich, daß ich sterbe. Aber dennoch ist es ungemein wichtig, zu wissen, daß selbst dieser Tod relativ sein wird. Allerdings - so sicher kann ich mir dessen auch wieder nicht sein, denn es gibt keine Garantie dafür, daß dem tatsächlich so sein wird.

Dann sehe ich - etwas seitlich am Rande eines Waldes, den die Fluten noch nicht erfaßt haben - ein jämmerliches Grüppchen Menschen. Es sind Überlebende, die gleich mir ihren Tod schicksalsergeben erwarten und im Grunde gar nicht wissen, weshalb sie eigentlich noch leben. Sie versuchen verzweifelt irgendetwas zu finden, worauf sie sich setzen könnten, damit sie von den Fluten getragen werden.

Da mich irgendeine dieser unberechenbaren Strömungen ganz in die Nähe dieser aus etwa fünf Menschen bestehenden Gruppe treibt, gelingt es mir, mich zu ihnen durchzuschlagen.

Erstaunt nehmen sie meine Ankunft wahr und billigen auch sofort meinen Vorschlag, daß wir uns alle auf eine robuste "Decke" setzen sollten, die ich ganz in der Nähe finde. Wenn wir eng zusammenrücken, haben wir genügend Platz. Kaum haben wir uns hingesetzt, packt uns eine schwappende Woge und reißt uns hinein in die tosende Masse. Der Wald hinter uns wird von den Fluten verschlungen - worauf alles kahl erscheint und wüstenartig. Die Erde bewegt sich wie eine aufgepeitschte See, was sehr makaber aussieht. Eine zur Wüste gewordene Erde - hoffnungslos, tragisch, schrecklich und entmutigend. Wie ein verlorener und elender Haufen - der wir ja auch sind - schaukeln wir willenlos dahin und starren stumm auf die Erdmassen, die sich mit unvorstellbarer Macht vorwärtsbewegen.

Wie ein Meer sieht die Erde aus. So weit ich überhaupt sehen kann, werden Berge und Hügel mehr und mehr eingeebnet. Schließlich ragt etwa 300 Meter vor uns eine mächtige, gut 100 Meter hohe und scheinbar feste Wand aus reinster lehmiger Erde - einer Klippe gleich - in den Himmel. In Stücke zerreißend brandet die braune Erde an die durchgehende Mauer, unterhöhlt sie und weicht sie auf. Lange kann es nicht mehr dauern bis der Wall vornüberkippt. Die durch den Abrutsch erzeugte Flutwelle muß uns unweigerlich unter sich begraben - 30 Meter hoch oder mehr wird sie herangerollt kommen. Das wird das Ende sein!

Fasziniert schaue ich zu, wie der Wall langsam vornüber kippt, immer schneller fällt, schmatzend in die flüßige Erde einsinkt und sie brüllend hochwölbt - hoch und höher. Dann ist der Wall nicht mehr zu sehen, denn die Flutwelle rast inmitten des Brausens der Winde heran. Mein und unser Tod ist zum Greifen nahe. Fast gelassen warte ich auf ihn. Da gibt's kein Hadern mehr, kein Berechnen - es wird so sein, wie es sein muß. Vielleicht werde ich zu Hause im Bett erwachen, vielleicht auch nicht. Und die Woge türmt sich weiter auf, nähert sich mit gigantischem Getöse und ist, da wir auf sie zugetrieben werden, bald nur noch wenige Meter vor uns.

Aber - da werden wir hinaufgehoben! Bis zum höchsten Punkt, bis auf den Scheitel! Beinahe sanft steigen wir an der vorderen Flanke hoch, getragen von der ockerbraunen, wütenden Erde. Und ebenso sanft gleiten wir wieder hinab - wir spüren kaum, daß wir eben einen gewaltigen Wellenberg überquert haben. Fast ironisch scheint mir der Gedanke, daß die physikalischen Gesetze hier irgendwie ihre Gültigkeit verloren haben.

Dann werden wir in die Weite eines unfaßlichen Meeres hinausgetragen. Bis zum Horizont erstreckt sich die ockerfarbene Erde. Selbst der Himmel ist gelblich, so als wollte er sich der Erde vermählen, wollte er mit ihr ein Bündnis besiegeln. So werden wir dahingetrieben, weiter und weiter - bis zu dem Punkt, an dem die Fluten völlig unerwartet ein abruptes Ende finden.

Wie abgeschnitten ragt ein hoher Wald mit schlanken, kahlen Stämmen vor uns auf. Ich komme mir vor, als würden wir an Land gespült, wobei mir die ganze Widersächlichkeit dieses Geschehens durchaus bewußt ist. Aber gerade deshalb trifft mich das Unerwartete doppelt, fasse ich das Fassungslose kaum, verstehe ich die waltenden Gesetze nicht. Eben schien die Erde alles vernichtet zu haben - und nun hält sie ein vor einem Wald. Wo ist jetzt die apokalyptische Gewalt der Erdenströme? Wo die gewaltige Masse? Ich weiß es nicht! Das Erdenmeer ist noch da, aber es dringt nicht zwischen die Bäume, obwohl es genügend flüßig wäre, um zwischen den Stämmen durchzukommen. Außerdem ist da kein sanfter Übergang, sondern ein jäher Abbruch. Die Erde bleibt einfach stehen und bildet zum Waldgebiet hin einen beinahe zwei Meter hohen Abbruch, so daß wir wie von einem dicken "Teppich" hinunterspringen müssen, um auf den trockenen Waldboden zu gelangen. Und der ist ebenso kahl wie die Stämme.

Die Gegend hier ist unglaublich düster. Die Bäume sind derart hoch, daß sie sich in einer schmutziggrauen Dunkelheit verlieren und jedes Licht ersticken. Keinerlei Grün ist zu sehen! Diese Gegend ist derart fremdartig, daß sie in mir stimmungsmäßig eine drückende vakuumhafte Leere erzeugt. Doch nicht nur mir selber geht es so, auch meine Schicksalsgenossen empfinden gleich. Sie drängen sich ängstlich zusammen und wissen nicht, was tun.

Ich schaue besorgt in den Wald hinein und sehe ein Wesen, das wie ein Mensch aussieht. Es ist nackt, knochig und mager und hat einen Kopf gleich einem Ei, der völlig kahl und irgendwie bläulich-grau ist. Die Gestalt verströmt einen eiskalten Todeshauch von unbestimmbarer Grauenhaftigkeit. Die Unmenschlichkeit dieses Wesens ist derart, daß der bloße Anblick blankes Entsetzen hervorruft. Das ist kein Wesen, das gleich uns aus menschlichen Gefilden hierhin verschlagen wurde. Es ist ein Wesen, das genuin in diese Welt gehört - und die ist eine andere als die der Menschen! Ich hege den schrecklichen Verdacht, daß es Strandgut greifen und sich bestialisch deren Schicksal zu nutze machen will?

In der Ferne zwischen den Bäumen sind noch zwei weitere dieser ruchlosen Gestalten zu sehen. Dann entdecke ich auch einzelne Menschen, die weit weg sind und im Wald herumtorkeln - verloren, verlassen und heimatlos geworden im echten Sinne des Wortes. Leichte Beute für diese unbegreiflichen Wesen, welche die Gestrandeten zum Wahnsinn treiben und damit in die totale und unbarmherzige Hoffnungslosigkeit stürzen. Allein das läßt mich kalte Schauder verspüren.
"Wo um alles mag ich bloß sein? Das ist ja eine Welt, von der ich nicht die geringste Ahnung hatte. Ein Inbegriff des echt Irrationalen im negativsten Sinne des Wortes. So etwas habe ich noch niemals erlebt. Da ist nichts Humanes mehr. Wehe den Menschen, die nicht luzid sind und ihre Bewußtheit verlieren! Wehe jenen, die in Panik geraten!"

Die Nacht bricht herein. Aber es ist keine eigentliche Nacht, denn in dieser Welt hat es überhaupt nie eine Sonne und damit einen lichtvollen Tag gegeben. Dennoch wird es dunkler und dunkler!
"Dämmert jetzt die Nacht des schwarz-magischen Wahnsinns?" Ich weiß es nicht! Eine finstere Nacht ist es auf jeden Fall. Und diese Nacht hat nichts mit einer alchemistischen Nigredo zu tun, sondern ist etwas, das ich nicht kenne. Hier lauert nackte Existenzangst, eine Angst, die mich nur deshalb nicht packt, weil ich wiederum Überlegungen zum eigenen Tod und Sterben anstelle. Da ich den Tod nicht fürchte - obwohl er hier wie nirgends sonst ein Ereignis ist, das ich zu fürchten hätte -, bleibe ich ruhig, vernünftig und gelassen. Die hereinbrechende Finsternis könnte - und das ist die größte Gefahr - jeden normalen Bewußtseinszustand auslöschen und damit der Bewußtheit ein definitives Ende bereiten.

Mit meinen Leidensgenossen beratschlage ich, was zu tun sei, und schlage vor, daß wir uns gemeinsam hinsetzen und die Nacht hindurch meditieren. Würden wir das nicht tun, könnte eine Panik ausbrechen, die alle mit sich ins Verderben reißt. Eine derartige Nacht müssen wir einfach gemeinsam verbringen und uns dabei gegenseitig in der Gruppe unterstützen und kontrollieren. Ich bin der festen Überzeugung, daß es am besten wäre, die Meditation der "weißen Schutzglocke" durchzuführen. Also fordere ich alle auf, sich in einem ganz engen Kreise hinzusetzen und zwar in einer möglichst guten Zazen-Haltung. Jeder müsse sich eine Glocke aus weißem Licht um die ganze Gruppe vorstellen, die uns lückenlos umgibt. Auf diese Weise soll ein magischer Schutzschirm und Schutzwall errichtet werden, der die "Wesen des Todes" davon abhält, sich uns zu nähern bzw. auf uns aufmerksam zu werden. Wir setzen uns im Kreis hin und beginnen zu meditieren. Mit der meditativen Versenkung gleite ich hinüber in den Alltag und erwache im Bett. Es ist halb drei Uhr morgens.

Gegenüber dem "Seelischen" findet manchmal eine Abschottung statt, die jede Offenheit vollständig erstickt. Eine solche Bunkermentalität ist mit einer Erstarrung gekoppelt, die unweigerlich zu einer Verflüßigung und Zerstörung der inneren Welten führt. Wer unter allen Umständen in seiner selbst gefertigten geistigen Enge verbleiben will und sich dem Abenteuer einer seelischen Suchfahrt (Quest) verweigert, verliert den Boden unter den Füßen und wird von den Betonmauern eines Quaders erdrückt, der von seinem Ego geschaffen wurde. Mich selber als menschliches Wesen betrifft das ebenso wie die anderen. Auch wenn es mir gelingt, mich von der Kollektivmentalität abzusetzen kann, bin ich als Individuum immer in eine menschliche Gemeinschaft eingebettet. Und wenn diese durch Einbunkerung in die Katastrophe der seelischen Verödung hineinschlittert, werde ich automatisch mitgerissen - wenn auch mit offenen Augen. Die Auflösung der individuellen und der kollektiven Grundlagen endet in einem geistigen Umfeld, das jede Bewußtheit hinwegfegt und ausradiert. Die Quest des luziden Träumens - des "dormiens vigila" - ist damit verunmöglicht und die dunkle Nacht des Nichtwissens und seelischen Todes bricht über jene Menschen herein, welche es versäumt haben, sich meditativ um eine BK und um die Erschließung der "prima materia" zu bemühen.


Die Ritter in den Silberrüstungen
Lehm ist ein besonderer Stoff, was am 28. Juli 1986 deutlich zum Ausdruck kommt.

In einer Stadt, in der ich mich keineswegs als Fremder fühle - obwohl ich mir meines Zustandes bewußt bin -, ereignet sich ein bemerkenswertes Ereignis. Es kommt zu einer Invasion einer ganzen Armee von übergroß gewachsenen Rittern. Die Hünen tragen eine silberfarbene, aus vielen Einzelteilen bestehende Rüstung, die nicht den geringsten Teil des Körpers unbedeckt läßt.

Ich befürchte das Schlimmste und laufe zum Friedhof, um dort meine beiden Kurzschwerter gegen ein Langschwert einzutauschen. Ich erinnere mich nämlich daran, daß die Leute sagten, auf dem Friedhofsgelände gäbe es ein paar Langschwerter, die dort in der Erde stecken! Und tatsächlich, hinter dem Zaun finde ich eines. Es ist von derselben Farbe wie die Silberrüstung der Eindringlinge. Ich ziehe es aus dem Boden und fühle ich mich sofort besser bewaffnet. Das Schwert hat einen kunstvoll geschmiedeten Handschutz, ist trotz seiner Länge leicht zu führen und hat eine sehr elastische und stark federnde Klinge.

Die Stadtbewohner unterstützen mein Vorhaben, mich zu wehren. Aber nur durch ihr Wohlwollen. Selber ergreifen sie keine Maßnahmen, die geeignet wären, die Invasoren zurückzuschlagen. Von ihrer Seite ist also keine weitere Hilfe zu erwarten.

Damit die Silberritter mich bemerken und verfolgen, verhalte ich mich ziemlich auffällig. Rasch werden die Eindringlinge auf mich aufmerksam, doch bei der Verfolgung werden sie durch ihre Rüstungen behindert, weshalb es ihnen schwer fällt, mir auf den Fersen zu bleiben. Nach dem Überklettern einiger Hinterhof-Zäune verlieren mich die Hünen aus den Augen. Ich verlangsame meine Schritte, bleibe jedoch sehr vorsichtig, weil überall die imposant und furchterregend aussehenden Invasoren herumlaufen.

In einer alten Lagerhalle stoße ich unerwartet auf ein halbes Dutzend Ritter, die mich sofort angreifen. Der erste wird von mir mit dem Schwert mitten entzwei geschlagen. Er fällt zu Boden, und ich sehe meine Vermutung bestätigt: die Rüstungen sind leer! Da ist kein Körper aus Fleisch und Blut in der Hülle!

Dann geschieht etwas Grauenerregendes, denn die zerhackten Teile bewegen sich aufeinander zu und fügen sich wieder zusammen. Und schon steht der Ritter wieder vor mir! Dies erinnert mich an den Barbarella-Comic, aber dort fügten sich die zerschlagenen Lederteile nicht mehr zusammen. Meine Lage ist somit hoffnungslos, und es gelingt mir nur äußerst knapp, auf die Straße hinauszurennen und in der Menschenmenge unterzutauchen. Es sind Leute in einer Trauerprozession, die zum Friedhof oder zu einem Denkmal pilgern. Ihnen geschieht nichts, und sie werden von den überall anzutreffenden Rittern nie belästigt.

Bald wird mir wegen der Bemerkungen der in der "Prozession" mitlaufenden Stadtbewohner klar, daß die Ritter niemandem was tun. Sie attackieren nur, wenn ein Mensch sich irgendwie auffällig benimmt. Und eben dies tat ich gerade vorher! Nun gehe ich langsam mit dem Trauerzug durch die Straßen und halte das Langschwert wie ein Kreuz vor mich, so daß Griff und Handschutz über meinen Kopf ragen und weitherum zu sehen sind. Nichts geschieht.! Die Ritter achten weder auf mich noch auf einen anderen.

Es scheint, als würden die Schreckgestalten in einer nur für sie sichtbaren Welt leben und dort ihren Geschäften nachgehen. Ihre Welt und die unsere haben nur gewisse schnittmengenartige Überlappungszonen. Nach einiger Zeit bringe ich in Erfahrung, daß das ganze Ritterheer von einem Wesen befehligt wird, das aus Lehm besteht. Es muß eine Art Golem sei, der gewisse Ähnlichkeiten mit jenen merkwürdigen Gestalten hat, die ich zuvor in der Halle neben den Rittern sah. Manche von ihnen hatten etwas Homunculusartiges an sich, denn ihre Rüstungen enthielten torfartige Erde, welche die Ritter krampfhaft zu beleben versuchten. Mich überkam beim Anblick dieses für mich blasphemischen Tuns das schiere Grausen, denn der Gedanke an die Geschichte von Frankenstein ließ sich nicht von der Hand weisen. Der Führer aber besteht vollständig aus "Lehm"!

Letzten Endes ist also alles ganz anders! Die Invasoren leben für sich. Ihre Versuche haben mit den Menschen nichts zu tun. Sie behelligen niemanden und gehen ihrer eigenen Wege. Nur auf das direkte Ansprechen eines Menschen MÜSSEN sie reagieren. Dies wird im Verlaufe der Erfahrungen mit den Rittern deutlich erkennbar. Und die Leute in der Stadt bestätigen mir dies. Deshalb möchte ich nun von den Rittern etwas erbitten, um das sie noch niemand gebeten hat und das eigentlich außerhalb ihres Vorstellungsvermögens liegt.

Ich gehe zu einer Gruppe der silbergerüsteten Wesen und sage:
"Ich möchte euren Führer sehen und ihn sprechen!"
Die "Rüstungen" halten in ihren Bewegungen inne, blicken mich geradezu erstaunt an und scheinen echt aufgewühlt. Aber sie werden meinen Wunsch erfüllen, so viel steht fest! Nur scheinen sie nicht zu wissen, wie das bewerkstelligt werden kann. Obwohl sie ratlos sind, machen sie sich sogleich daran, Wege zu finden, die Begegnung zu ermöglichen. Sie müssen aber zuerst herausfinden, WO ihr Führer ist. Sie kennen nämlich den Aufenthaltsort des einzige Wesens ohne Rüstung, das vollständig aus "Lehm" besteht, nicht.

Das "Wesen aus Lehm" könnte etwas mit dem Inhalt des "unum vas" der Alchemie zu tun haben, welches eine lebendige halborganische Mischung ist, aus welcher der geistbegabte, lebendige Körper des Lapis hervorgehen wird (vgl. C.G. Jung "Psychologie und Alchemie" GW 12 (Olten: Walter, 1972:209-210)). Das "Lehmwesen" ist also eine Art Homunculus. Und dieser hat etwas mit dem Astralleib bzw. dem Diamantkörper zu tun, welcher Zusammenhang später erläutert wird.


Der Kot der Schlange
Als kostbare Substanz erweist sich am 31. Juli 1986 der von einer gigantischen Schlange gebildete lehmartige Kot.

... bin in einer Stadt, in der ich mich bestens auskenne. Sie hat aber nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer mir vom Alltag her bekannten Agglomeration. Mir ist dies alles dank der BK sehr wohl bewußt. ...

Plötzlich tauchen in den breiten Kanälen, die in der Straßenmitte verlaufen, Riesenkrokodile auf. Die Tiere springen auf die Straße, verfolgen die Menschen und können sogar ein paar erwischen. Mir gelingt es nur knapp, den aggressiven Echsen zu entkommen. Um dem Schnappen der mächtigen Rachen zu entgehen, klettere ich eine Regenrinne hoch und schwinge mich auf das Dach eines Hauses.

Oben auf dem Flachdach blicke ich wie die anderen, die sich hierher in Sicherheit gebracht haben, hinunter auf die Straßen und Kanäle. Niemandem ist erklärlich, woher die Bestien kommen. Seltsamerweise sind jetzt in den Kanälen keine Krokodile mehr zu sehen.

Doch bei genauerem Hinsehen erblicke ich - vor lauter Entsetzen stockt mein Herz - ein undefinierbares Etwas. Mitten im Kanal liegt ein schwarz-gelber Schlauch. Der Durchmesser beträgt mindestens zwei Meter, und das Ding sieht aus wie ein Schlange. Voller Schrecken versuche ich die tatsächlichen Ausmasse dieses Wesens, das offensichtlich lebendig ist, auszumachen. Es durchzieht die Kanäle so weit mein Auge reicht - ist also Hunderte von Metern lang und unüberschaubar in seiner Größe!

Ich fürchte mich ganz gewaltig vor diesem blauen Ding, zumal es sich zu bewegen beginnt. Teile der Schlange, deren Haut glatt wie Plastik scheint, winden sich aus den Kanälen, gleiten den Hauswänden entlang und schlüpfen sogar durch die Fensteröffnungen.

Die Leute versuchen in panischem Entsetzen davonzulaufen. Aber es gibt kein Entkommen, denn das Wesen ist riesig. Die zurückgelegten Distanzen mögen noch so weit sein, das Ding ist im Prinzip immer schon vorher an dem Ort, wohin der Mensch glaubte fliehen zu können. Diese Tatsache macht mir schmerzhaft bewußt, daß alle Furcht und jeder Gedanke an Flucht angesichts der Größe dieses Wesens völlig belanglos sind.

Weshalb sollte ich also Angst vor etwas haben, das überall ist und mich jederzeit zerstören kann? Aber will es mich denn vernichten? Ist es nicht vielmehr so, daß ich das Wesen durch mein unsinniges Verhalten beunruhige? Und daß ich bloß meine, mit jeder Bewegung würde es nach meinem Leben trachten? Es gäbe ja auch eine andere Möglichkeit. Ich könnte versuchen, Furchtlosigkeit zu gewinnen und gegenüber den Aktionen des riesigen und undefinierbaren Wesens offen bleiben. Zudem könnte ich mich ihm liebevoll zuwenden, es beobachten, genau hinschauen und sorgfältig hinhören.

Ich fasse Mut, steige vom Dach und gehe zum Kanal. Im Wasser sind deutlich die Windungen des "Riesenpolypen" zu erkennen. Aufmerksam wende ich mich der unfaßlichen Sache zu und höre plötzlich eine "Stimme". Es ist das Schlangenwesen, das telepathisch zu mir spricht! Seine Gedanken sind deutlich zu vernehmen und problemlos zu verstehen. In ihnen drückt sich großes Leid aus. Während des Gespräches wird mir klar, daß es der Mensch gewesen ist, der durch sein unachtsames Umgehen mit der Natur dem Kanalwesen viel Schmerz zufügt. Die Abfälle, die Verschmutzung des Wassers und überhaupt die ganze Art der Nutzung des Kanalsystems als bloßes Ableitungssystem für Unbrauchbares und Giftiges haben beinahe zur Zerstörung dieses gewaltigen Bewohners der Kanäle geführt.

Die Schlange öffnet einen Teil ihres Körpers und zeigt mir das Innere. Es besteht aus einem Gewirr weißer, flacher Fäden, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Holzwolle haben. Das Geflecht quillt auf eine Art und Weise heraus, die mich frösteln läßt, denn die untoten Gebilde sind mit dem Leben unvereinbar.

Dann kommt etwas anderes zur Sprache, nämlich die Sorge um die Beseitigung der eigenen Stoffwechselabfälle und des "Unverdaulichen". Das Wesen lebt von dem, was in den Kanälen ist, ähnlich wie ein Regenwurm, der sich durch die Erde hindurchfrißt. Aber auch ein Wurm kann nicht von einer Substanz leben, die durchtränkt ist von Giften. Und genau das scheint das zentrale Problem des blauen Kanalwesens zu sein, denn die Verschmutzung hat eine kritische Grenze erreicht.

Es ist der Schlange gerade noch möglich, zu leben. "Aber so darf es nicht mehr weitergehen!" höre ich sie sagen. Um mir zu zeigen, was sie mit den Stoffen macht, die sie aufnimmt, transportiert sie einen Teil des Kotes an die Stelle, wo ich am Kanalrand sitze und durch den Riß in das Innere ihres Körpers hineinsehen kann. Es dauert ein Weile - aber diese Zeit genügt, um in mir ein mulmiges Gefühl entstehen zu lassen. "Immerhin geht es um echten Kot", denke ich. "Und erst noch um einen, den ich niemals zuvor gesehen, geschweige denn in Händen gehabt habe. Und wenn die Menge zu groß ist, was dann?"

Endlich wird eine grün-braune Masse, die einen leichten Stich ins Goldfarbene hat, im weißen Gewirr der Fäden sichtbar. Bald darauf quillt sie heraus - zum Glück ist es nur wenig. Ich fange das Zeug mit bloßen Händen auf. Es ist warm, äußerst wohlriechend und von einer nie gefühlten, feinen lehmartiger Konsistenz. "Wie Walrat! - Eine wunderbare Kostbarkeit, die ich da in meinen Händen halte!"

Das Wesen fordert mich auf, den Menschen diese Masse zu zeigen, damit sie erkennen können, wie wichtig es ist, daß sie sich ökologisch korrekt verhalten, und sagt: "Sonst bin ich nicht mehr in der Lage, diese heilende Substanz herzustellen."

Der "Lehm" hat also sogar eine heilende Wirkung! Ich reibe meine Hände damit ein. Sie sind - wie schon ganz zu Beginn des Geschehens zu bemerken war - ganz merkwürdig verhornt. Sogleich werden sie geheilt, und die Haut fühlt sich fein und glatt an. Diese Wirkung ist beglückend und gibt mir einen zusätzlichen Anstoß, das Anliegen des mächtigen Wesens bei den Menschen zu vertreten. So gehe ich denn zu einer Menschansammlung, um die Leute darauf aufmerksam zu machen, welche Zusammenhänge zwischen ihrem Tun und dem "Wesen der Natur" bestehen und wie wichtig es ist, ökologisch zu denken und zu handeln.

Der "kotige Lehm" erinnert an die "prima materia" bzw. an jene wunderbare Substanz, die der Alchemist im Dreck findet. Es ist übrigens so - ganz nebenbei gesagt -, daß auch die in den Lehrbüchern der Magie angegebenen "Rezepte" oft die Verwendung ganz besonderer Gegenstände vorschreiben, um deren Benutzer von den herrschenden Vorstellungen und der geltenden Ordnung zu entfremden und ihn in einen außergewöhnlichen Zustand zu versetzen. Die dafür bei magischen Operationen verwendeten Dinge sind oft extrem grausam und blasphemisch. So gelten z.B. Kinderfett, heilige Hostien, Menstruationsblut, lebende Kröten, Katzenaugen, Leichenteile und ausgerissene Fledermausflügel als Bestandteile von Zaubertränken. Und Castaneda schreibt, er habe auf Geheiß von Don Juan Augen und Mund lebender Eidechsen zugenäht. (Vgl. Die andere Realität, die Lehren des Don Juan S.113-124.) Jede dieser Zutaten und Handlungen bezwecken einzig und allein, daß das Ich seine Alltagsperspektive verliert, von den Vorspiegelungen des Gewohnten wegkommt und das zauberhafte und mirakulöse Substantielle der Wirklichkeit im Dreck des Alltags findet. Die gefundene "prima materia" bietet dann die Voraussetzung für die "Herstellung" des "Steins der Weisen " und damit auch des Körpers des höheren, geistigen Menschen, des Adam Kadmon (des in Adam gefesselte Lichtmenschen). Dieser Körper ist der "Diamantkörper".


Der Kristall
Am 10. Juli 1994 - wir wohnten damals in Sedrun (im Bündner Oberland) - zeigt es sich, daß aus dem Lehm tatsächlich Kristalle wachsen können!

... Meine Frau und ich sitzen gemütlich auf dem Balkon und schauen auf die andere Talseite und in die Berge hinauf. Unten auf der schmalen Straße läuft ein junges Ehepaar vorbei, das von einer Wanderung zurückkommt. Wir begrüßen uns und wechseln ein paar Worte. Wir haben uns zwar noch niemals zuvor gesehen, aber das spielt hier keine Rolle, denn schließlich leben wir in einem Bergdorf.

Das Paar zeigt uns im Verlaufe des Gesprächs auch die beiden Kristalle, die es unterwegs gefunden hat. Die Stücke sind erstaunlich gut und weisen weder Verwitterungsspuren noch Brüche auf. Es ist unglaublich, denn Kristalle, die nicht mehr in der Kluft sind, nehmen schnell einmal Schaden. Der Fund ist ein echter Glücksfund, denn die jungen Leute sind nicht zum Strahlen aufgebrochen und hatten keine Kristalle gesucht.

Das Muttergestein der Quarzkristallgruppe - es sind etwa 20 Nadeln von 5-10 cm Länge - ist weich wie Lehm und von eher körniger Beschaffenheit. Als ein Stück auf die weiche Erde unseres Gartens fällt, wird ein kleiner Kristall sichtbar, der im Lehm verborgen war. Die junge Frau hebt ihn auf. Auf der einen Seite ist ein grüner und gleich oberhalb ein roter Streifen. Hieraus ergibt sich zusammen mit dem durchsichtig weißen Quarz eine wunderschöne Farbkombination. Etwas in dieser Art habe wir noch nie gesehen.

Sensationell ist die Tatsache des Fundes auch deswegen, weil das weiche Muttergestein Anzeichen für eine größere Kluft ist.

Es hat doch einige Jahre gedauert, bis der Zusammenhang zwischen Lehm und Kristall derart deutlich sichtbar wurde. Nun ist bloß noch daran zu denken, daß ein Kristallkörper auch ein Diamantkörper sein kann - und der Quarz mit der BK zu tun hat!


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Die Spur der Quader Teil 7


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